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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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vor dem Ansturm aufzuhängen und sich selber für den Festakt umzuziehen. Er wollte Debbie bei den Honneurs nicht im Stich lassen, das war er ihr schuldi g – als sein Abschiedsgeschenk.
    »Ich bin so froh, dass du mir zur Seite stehst«, raunte sie ihm zu, während sie beide irgendwelche fremden Hände schüttelten. »Ich danke dir sehr.«
    Sie hatte sich eigens für diesen Tag ein weißes Abendkleid anfertigen lassen, von demselben Schneider, der bis vor Kurzem in den Räumen ihres Museums eine Werkstatt betrieben hatte, und sah für ihre Verhältnisse großartig aus. Als Schmuck trug sie zwei Ohrringe: einen von Harry und einen von Alexander Calde r – zum Zeichen ihrer Überparteilichkeit im Streit der abstrakten und figurativen Malerei. Nur das demonstrativ zur Schau getragene Lächeln, mit dem sie jeden Gast begrüßte, wirkte irgendwie gequält, als würde sie sich auf geradezu fanatische Weise dazu zwingen, glücklich zu erscheinen. War das die Nervosität? Oder ahnte sie, was diese Nacht passiert war? Harry beschloss, ihr alles zu beichten, sobald die Party vorüber war. Debbie hatte ein Recht darauf zu wissen, dass Laura und er wieder ein Paar waren. Sein schlechtes Gewissen beruhigte er mit dem Gedanken an ihr Geld. Sie hatte Gott sei Dank genug davon, um sich mit ein paar Picassos und Mondrians über ihre Trennung hinwegzutrösten.
    »Oh wie wunderbar, dass Sie gekommen sind, Monsieur Bonenfant!«
    In dem kleinen älteren Herrn, den Debbie mit überschwänglicher Begeisterung empfing, erkannte Harry Lauras Lehrer aus London wieder. Dankbar griff er die Ablenkung auf.
    »Der Apfelprofessor!«
    »Und wer sind Sie?«, fragte Bonenfant. »Der Prinzregent?«
    »Wie bitte?«
    Harry fühlte sich, als hätte ihn jemand beim Stehlen in Nachbars Garten erwischt. Zum Glück kam Debbie ihm zu Hilfe
    »Aber Sie kennen doch Mr. Winter!«, rief sie. »Er ist der wichtigste Künstler dieser Ausstellung. Das Werk, vor dem wir gerade stehe n …«
    »… zeigt eindeutig die Handschrift meiner Meisterschülerin Laura Paddington«, fiel Bonenfant ihr ins Wort.
    »Wollen Sie behaupten, Sie könnten das auf einen Blick unterscheiden?«, fragte Harry verblüfft. »Welche Partien von ihr sind und welche von mir?«
    »Selbstverständlich. Zum Beispiel hier, das Mittelstück, die verkehrte Himmelfahrt, die ist mit ziemlicher Sicherheit nicht von Laura, sondern von Ihnen.«
    Während Bonenfant sich eine Brille aufsetzte und näher an das Bild herantrat, registrierte Harry aus den Augenwinkeln, wie ein paar Kritiker neugierig zu ihnen herüberschielten. Sogar der Vertreter der Washington Post , der ihm mit seinem Zitat über die Kunst der Primitiven so sehr geschadet hatte, hob interessiert eine Braue. Harry wollte die Chance nutzen und setzte zu einem Extempore an, um die Himmelsbeute vor der Presse zu erläutern. Doch der Apfelprofessor kam ihm zuvor.
    »Aber was ist damit?«
    Bonenfant zeigte auf ein winzig kleines Vogelwesen in der Mitte des Bildes, das Harry selbst erst beim Aufziehen der Collage entdeckt hatte: einen Miniatur-Dada, der in die Wolken entschwand, während die Windsbraut zur Erde niederfuhr. Laura hatte ihn in der Nacht, als Harry schon geschlafen hatte, in das Bild eingetragen. Die letzte Kleinigkeit, die in der Collage noch gefehlt hatte.
    »Keine Frage, das hat meine Schülerin gemalt.« Der Professor nahm seine Brille wieder ab und schaute sich suchend um. »Aber sagen Sie mal, wo steckt sie eigentlich?«
    Harry stellte sich auf die Zehenspitzen, doch er konnte Laura nirgendwo entdecken. Als er am Morgen aufgewacht war, hatte ihn ihr Verschwinden noch nicht überrascht. Wahrscheinlich war sie nach Hause gefahren, um sich für die Vernissage zurechtzumachen. Frauen waren bekanntlich eitel, und Laura hatte sich nie abgemeldet, wenn sie für kurze Zeit verschwand. Doch allmählich machte er sich Sorgen, ob sie ihr Versprechen wirklich halten würde. Vielleicht hatte ihr Mann sie ja erwischt und hinderte sie zu kommen. Die einzige Nachricht, die sie hinterlassen hatte, war ihr Eintrag auf dem Bild gewesen.
    »Warum verrenkt ihr euch die Köpfe?«, fragte Debbie. »Laura ist doch längst da!«
    »Wo?«, fragte Harry und drehte sich um
    »Was für eine dumme Frage!«
    Debbie zeigte auf die Himmelsbeute . Dabei zog sie ein Gesicht, das Harry noch mehr irritierte als ihre kryptische Auskunft. Genau so sahen Menschen aus, die sich davor drücken, einem die Wahrheit zu sagen!
    Bevor er nachfragen konnte, was los war,

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