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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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magisches Wesen bist. Sie sagte, sie darf das bisschen, was von ihr noch übrig ist, nicht für einen unbedeutenden Menschen opfern.« Der Hauch von Spott in seiner Stimme hielt meinen Verstand zusammen.
    Â»Weißt du, was ich daraufhin zu ihr gesagt habe, Noa?«
    Â»April, April?«, riet ich nervös. Dummerweise hatten wir Ende Juli. Je nachdem, ob die Zeit draußen weiterlief, seit wir hier drin waren, müsste es inzwischen August sein.
    Marlon lächelte. »Ich sagte, du seist das magischste Wesen unter der Sonne und dem Mond, denn du bist in der Lage, eine Harpyie mit einem Zauber zu belegen, wie es sonst nur Harpyien bei Menschen schaffen. Sie wollte wissen, wie stark dein Bann wäre, und ich sagte, er sei so stark, dass ich eher eine Ewigkeit mit dir hier unten verbringen würde, als dich allein zurückzulassen.«
    Ich versuchte zu schlucken, aber es ging nicht. Die Luft war so staubig, dass sie meinen Hals austrocknete.
    Marlon knuffte mich in die Seite. »Daraufhin meinte sie, ich hätte gleich sagen sollen, dass du meine Freundin wärst. Sie hätte zwar ein Herz aus Stein, aber ein Unmensch wäre sie nicht, und solltest du mich auch lieben, würde sie dich nach Hause bringen. Komm jetzt, es geht los.«
    Ich verstand nicht, was losgehen sollte, aber es bedeutete wohl, dass wir hier rauskamen, also folgte ich Marlon die Stufen hinauf. Seine bloßen Füße hinterließen Spuren im Staub, der kein Dreck, sondern pulverisierter Stein war. Darunter schimmerte der Boden, wie über viele Jahre von tausend Füßen blank poliert.
    Die steinerne Frau legte beide Hände an die Wand und begann zu flüstern. Sie bebte. Die Halle vibrierte. Dutzende von Stimmen erhoben sich, schwollen an und ab wie Gezeiten, doch ich hörte sie nicht mit meinen Ohren, sondern vernahm sie in meinem Inneren. Staub schneite von der Decke und der uns umschließende Stein bekam Risse. Oh Gott, sie musste aufhören, die Halle würde einstürzen!
    Unvermittelt packte Marlon mich am Arm und schleuderte mich gegen die Wand. Schwer zu sagen, ob die Wand sich auflöste. Vielleicht zerfiel auch ich in meine Bestandteile. Zurück blieb ein irrsinniger Druck auf meinem Brustkorb und ein Zwang, der lautlos durch meinen ganzen Körper kreischte.
    Atmen!
    Marlon hielt mich unter den Achseln und schüttelte mich. Mein Kopf schlackerte hin und her, als wäre mein Genick aus Gummi. Ich biss mir auf die Lippe und stieß einen Schmerzenslaut aus.
    Â»Na endlich, da bist du ja wieder!« Er atmete so heftig, als hätte er es lange unterdrückt. »Alles in Ordnung?«
    Wir standen bis zur Brust in eiskaltem, moderig stinkendem Wasser. Um uns herum türmten sich die Brunnenwände auf, über uns waren nichts als Dunkelheit und ein paar Sterne. Doch wir befanden uns nicht mehr in der Welt aus Stein. Wir waren zurück. In der Realität. Und lebendig noch dazu!
    Ich starrte Marlon an – seine Brust, auf der die Kratzer als Beweis zurückgeblieben waren. Oder stammten sie von dem Versuch, aus dem Brunnen zu klettern? Das Pflaster über seiner Schusswunde löste sich von der Haut. Oh, mein Gott, diese Siffsuppe würde ihm eine Blutvergiftung bescheren!
    Â»Ist das gerade wirklich passiert?«, flüsterte ich und erschrak, weil meine Stimme so laut vom Gemäuer zurückgeworfen wurde. Mir war, als wollte mich jeder Stein verspotten, indem er meine brechende Stimme nachäffte.
    Â»Wenn nicht, Noa, dann schmeißen die Leute hier jede Menge Drogen in den Brunnen. Los jetzt, wir müssen hier raus.«
    Er machte eine Räuberleiter und katapultierte mich so schwungvoll nach oben, dass ich fast über den Brunnenrand gestürzt und gefallen wäre. Er selbst kam wesentlich eleganter aus dem Wasser.
    Die Lampe oberhalb des Löwen war ausgegangen, nur der Mond schien auf den stillschweigenden Marktplatz. Marlons Oberkörper leuchtete, doch nicht nur bläulich, wie es jede feuchte Haut im Mondlicht tat, sondern auf irgendeine Weise auch petrolgrün.
    Rabenfarben.
    Er wirkte nachdenklich, geradezu frustriert, was ich nicht im Ansatz verstand. Mich erleichterte es zu sehr, aus dieser steinernen Zwischenwelt wieder hinausgekommen zu sein.
    Wir hüllten uns notdürftig in die trockenen Sachen und das Handtuch, stolperten bebend zu Marlons Auto und fuhren zu mir nach Hause, da es keiner von uns mehr bis zum Drachenhaus geschafft

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