Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
Vom Netzwerk:
erinnern und zurückkommen – und nichts wird in Vergessenheit geraten sein.«
    Er rieb sich über das Gesicht. »Ist es dann nicht längst zu spät? Wenn ich mich erst erinnern muss, dann habe ich ihn doch bereits vergessen.«
    Â»Nein, denn du kannst nicht wirklich von Vergessen sprechen, wenn du dich wieder erinnerst«, erwiderte ich. »Vergessen ist endgültig. So wie Sterben.«
    Â»Dann ist Erinnern wie Wiedergeborenwerden?«
    Wir sahen uns einen Moment an und wussten beide keine hundertprozentige Antwort. Ich nickte schließlich, wenn auch unschlüssig.
    Â»Wow.« Marlon hielt an einer Ampel und spielte mit dem Blinker. »So habe ich das noch nie betrachtet. Das ist das Ei des Kolumbus.«
    Er neckte mich. Wie erleichternd sich das anfühlte, nachdem er mich angeschwiegen und mir mit seiner Raserei Angst gemacht hatte. Er war noch immer Marlon. Die Betonung lag auf noch und davon musste ich mich ablenken. Ich zog ein wichtiges Gesicht. »Und ich habe dieses Ei gelegt. Ich sollte mich für den Philosophie-Leistungskurs einschreiben, wenn die Schule wieder losgeht, was meinst du?«
    Unser beider Lachen war nicht mehr als ein Schnauben. Ausgestoßene Luft und bemüht hochgezogene Mundwinkel. Aber es wirkte wie eine gute, lindernde Medizin. Nicht schnell und mit Nebenwirkungen, sondern indem es sachte die Heilung unterstützte. Nur ein klein wenig, aber allein das ließ uns schon aufatmen.
    Der Atem stockte mir in der Kehle und gefror dort zu Klumpen, als wir in mein Viertel einbogen und ich den Wagen hinter uns bemerkte. Er fuhr zu dicht auf, nur darum erkannte ich den Fahrer.
    Stephan Olivier. Neben ihm saß eine Frau, vielleicht die aus dem Wald, ich war mir nicht sicher.
    Â»Marlon!« Ich schrie seinen Namen fast.
    Â»Ich habe ihn gesehen.« Binnen eines Lidschlags schlug sein Gesichtsausdruck um. Das angestrengte Lächeln, der Schmerz in seinen Augenwinkeln, all das Zerbrechliche, das eben noch da gewesen war, schwand. Sein Gesicht wurde schlagartig eiskalt. Er schaltete einen Gang runter, der Motor grollte drohend und ich wurde durch die Beschleunigung in den Sitz gedrückt. Zu meinem Erschrecken lächelte Marlon herablassend. »Er jagt uns mit einem Golf. Der hat vielleicht Nerven. Was glaubt er, was ich hier fahre, eine Postkutsche?« Der Abstand vergrößerte sich, doch dann war Marlon zum Bremsen gezwungen, weil die Straße ein paar enge Kurven machte. Er bog rabiat nach links ab, Richtung Schnellstraße.
    Ich musste mich am Türgriff festhalten. »Er kriegt uns nicht, oder?«
    Marlon warf einen Blick auf den Tacho. »Wir haben 180   Pferdchen unter der Haube und genug Hafer im Tank, um jedes einzelne eine ganze Weile glücklich zu machen. Sobald wir aus der Stadt raus sind, hat er keine Chance mehr.«
    Ich fand einen Moment Zeit, seine Coolness zu beneiden. Mir war das zuvor schon aufgefallen. Wenn Marlon in eine Situation geriet, die einem Panikanfall würdig war, dann wurde er frostig. Jetzt war er Eis. So kalt, dass sich die von ihm abstrahlende Kälte schon wieder heiß anfühlte. Es ist kein Scherz, dass man sich an Trockeneis Verbrennungen zuziehen kann. Marlon war noch kälter. Offenbar steckten wir wirklich in der Klemme. Oh Scheiße!
    Â»Wie konnten die uns finden?«
    Er zog sein Mobiltelefon aus der Hosentasche und reichte es mir. »Mach es aus, ich muss mich auf die Straße konzentrieren. Vermutlich haben sie es mittels deiner alten Handynummer geschafft, deine Daten zu hacken. Damit haben sie auch meine Nummer und können uns orten.«
    Â»Ist das möglich?«
    Â»Keine Ahnung. Hast du eine bessere Idee? Schmeiß es bei Gelegenheit aus dem Fenster, aber so, dass sie es nicht mitbekommen. Wir werden dein neues Handy auch entsorgen müssen. Und leider kennen sie jetzt auch mein Auto. Schon wieder.« Kurzes Bedauern streifte sein Gesicht.
    Ich versuchte mich unauffällig nach unseren Verfolgern umzusehen. Sie blieben stur hinter uns. »Dein wievieltes Auto ist das?«
    Â»Das dritte.«
    Â»Wie lange, sagtest du, hast du den Führerschein?«
    Â»Ich bin im Februar achtzehn geworden.«
    Sparsamer Verbrauch war etwas anderes.
    Die Schnellstraße mündete in eine Gabelung. Es ging durch einen Tunnel hindurch Richtung Stadt oder halb rechts auf die Landstraße. Marlon ignorierte eine dunkelgelbe Ampel und wählte die Landstraße. Der Golf klebte

Weitere Kostenlose Bücher