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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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wussten nicht einmal, wo ich war. Natürlich gab es gute Gründe für mein Schweigen, aber die konnte ich ihnen ja wohl kaum offenbaren.
    Â»Würden dir Rosalia und Dominic glauben, Noa?«
    Ich blinzelte langsam – ein Zeichen meiner Ratlosigkeit. Was meinte er damit? Was sollten sie mir glauben? Marlons Geschichte? Das konnte nicht sein Ernst sein!
    Â»Schau nicht wie ein Mondkalb«, neckte er mich. »Angenommen, du erzählst ihnen alles – würden sie es dir glauben?«
    Â»Was meinst du mit alles ?«
    Â»Alles.«
    Ich überlegte. »Dominic ganz sicher. Rosalia … nun ja … Die Geschichte ist tragisch und romantisch, oder?«
    Â»Sehr«, stimmte er seufzend zu.
    Â»Dann auf jeden Fall. Aber du kannst doch nicht wollen, dass ich es ihnen erzähle.«
    Marlons Blick sagte etwas anderes. »Ich will nicht, dass du es in dich hineinfressen musst. Ich wäre verrückt geworden, wenn ich in den letzten Jahren niemanden zum Reden gehabt hätte. Vertraust du den beiden?«
    Ich nickte benommen.
    Â»Dann tu ich es auch. Erzähl es ihnen, tu mir den Gefallen. Und noch etwas: Geh mit diesem Lukas aus.«
    Â»Wie bitte? Warum sollte ich mit Lukas ausgehen?«
    Â»Weil du das wolltest, als ich noch nicht bei dir war.«
    Â»Aber du bist …«
    Â»â€¦Â bald wieder fort.« Ich wollte widersprechen, aber er legte mir seinen Zeigefinger auf meine Lippen und schmunzelte, weil sie vom Honig klebten. »Streite nicht mit mir. Nicht heute. Geh mit ihm aus. Es muss nicht sofort sein, aber irgendwann. Bitte, Noa. Versuch es wenigstens. Wenn er dir nichts bedeutet, dann suchst du dir einen anderen. Ich kann dich nicht einsam und allein zurücklassen.«
    Â»Aber du kommst zurück.«
    Â»Wenn es nur die geringste Möglichkeit gibt, dann ja. Falls nicht, muss ich wissen, dass es dir gut geht. Auch ohne mich. Du brauchst mich nicht, verstanden?«
    Ich presste die Lippen zusammen, damit sie nicht zitterten, und deutete ein Nicken an, von dem ich nicht wusste, ob ich es mir abkaufte.
    Â»Deiner Mutter«, fuhr Marlon fort, »wirst du unter vier Augen erzählen, dass ich ein irrer Stalker war, der dich bedroht hat.«
    Ich würgte ein Lachen hervor. »Was soll das bringen?«
    Â»Manche Leute brauchen einen Weckruf. Andere einen Schrei. Ich glaube nicht, dass du sie so wenig interessierst, wie du denkst. Sie muss es nur merken.«
    Â»Was ist mit meinem Vater?«, fragte ich mit einem Kloß im Hals.
    Â»Dem erzählst du das Märchen vom Biologiestudium, das mich auf eine Expedition quer durch die ganze Welt und in bisher unerforschte Regionen führt, die so exotisch sind, dass du ihre Namen nicht aussprechen kannst, wo ich meinen Doktor in Ornithologie machen werde. Kann man in dem Bereich überhaupt einen Doktor machen? Vermutlich nicht, ist mir aber egal. Schließlich«, er lächelte ein klitzekleines bisschen, »will ich irgendwann wiederkommen. Falls du mich dann noch willst, möchte ich nicht an deinem Vater scheitern.«
    Ich schluckte, weil sich ein salziger Geschmack in meiner Kehle ausbreitete. »Wie lange, glaubst du, wird diese Expedition denn dauern?«
    Â»Bis ich weiß, dass es dich gibt und ich dich finden muss, Magpie. Keinen Tag länger.«
    Etwas später machten wir uns auf, um Ebony zu treffen. Wir beschlossen, zu Fuß zu dem Treffpunkt zu gehen. Das Wetter war herrlich: warm, doch durch die frische Brise, die vom Meer übers Land hauchte, nicht zu heiß.
    Ebony hockte neben dem Rad aus Stein auf einem Sockel, ein zartes Lächeln umspielte ihre Lippen. »Das hast du wirklich gut gemacht«, sagte sie zu Marlon und deutete auf die Skulptur. »Du hast keine Worte verwendet, die zu viel verraten könnten, nur Töne. Trotzdem ist die Warnung sehr deutlich, allein durch die Melodie. Du rufst Gefühle durch Töne hervor. Wie machst du das?«
    Â»Vielleicht war mein Vater kein Rabe«, antwortete Marlon spöttisch. »Sondern eine Nachtigall.« Ich knuffte ihn in die Seite. Er wurde ernst, als Ebony nicht auf seinen Scherz einging.
    Â»Erinnerst du dich an den Jungen, den ich geliebt habe?«, fragte sie und sah zum Himmel. Mir fiel auf, dass sie dieselben Kleider trug wie am Vortag. Schmutz haftete daran. Sie musste sie irgendwo versteckt haben, als sie in ihren Rabenkörper zurückgekehrt war. Sie seufzte, ehe sie weitersprach. »Nein, wie

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