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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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solltest du auch, ich habe ihn nur ein Mal nach Hause mitgebracht und du warst noch so klein damals. Er hat geheiratet. Man könnte meinen, ich hätte mich umsonst erinnert.«
    Â»Wie kannst du so etwas sagen?«, erwiderte Marlon leise. »Bedeutet es dir gar nichts, ein Mensch zu sein?«
    Â»Es bedeutet, Sorgen zu haben. Weißt du, warum Menschen nicht fliegen können? Weil die ganzen Sorgen sie am Boden halten.«
    Â»Menschen haben bloß keine Flügel«, entgegnete Marlon entschieden. »Dafür haben sie Träume.«
    Â»Hältst du das für mehr wert?« In Ebonys Stimme lagen weder Spott noch Tadel. Sie wollte seine Meinung hören.
    Marlon legte eine Hand auf sein Herz. Eine Geste, die bei jedem anderen theatralisch gewirkt hätte. Bei ihm gehörte sie einfach dazu, sie war notwendig, denn er brauchte einen Takt. »Ich kann nur für meine Träume sprechen. Sie sind das Zehnfache des Himmels wert.«
    Ebony warf mir einen freundlichen Blick zu, den ersten freundlichen Blick überhaupt. »Er kommt zurück«, sagte sie und ich fühlte mich geehrt, allein, weil sie mit mir sprach. Sie lehnte sich an Marlon und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ich ahnte, dass sie ihm einen alternativen Verwandlungsort verriet, daher trat ich einen Schritt zurück. Ich wollte es gar nicht wissen und sah Marlon an, dass es ihm ebenso ging.
    Dann verspannte sie sich urplötzlich.
    Â»Was ist?«, fragte ich, doch im gleichen Augenblick spürte ich es auch. Ein Kribbeln im Nacken, heftig wie von Nadelstichen.
    Ein Wagen rollte vor die Zufahrt des Parkplatzes und versperrte sie. Aus einem Auto, das vor dem Hotelrestaurant stand, stiegen zwei Frauen. Im Gebüsch hinter uns, das in dichten Wald überging, knisterte es. Stimmen. Schritte. Scheinbar überall.
    Mir brach eisiger Schweiß aus.
    Â»Huntsmen«, flüsterte Marlon.
    Sie hatten uns umzingelt.
    Ich nahm die hektischen Blicke voller Misstrauen wahr, die von Marlon zu Ebony und von Ebony zu mir schossen. Keiner der Geschwister schloss in der ersten Schrecksekunde einen Verrat aus. Wie auch, sie kannten sich überhaupt nicht. Doch dann beugte sich Ebony vor und hauchte Marlon letzte Anweisungen zu.
    Daraufhin rief sie laut: »Zeit, zu verschwinden!«, stand elegant auf und streckte ihren langen Körper dem blauen Himmel entgegen. Wie zu einer Statue erstarrt sah sie auf uns herab. Kalt, hart und gleichgültig. »Ich lenke sie ab. Du solltest laufen, Marlon.«
    Marlons Finger schlossen sich wie Schraubzwingen um meinen Unterarm. »Liefern wir ihnen etwas Show«, raunte er mir zu. Mit der linken Hand zog er seine Pistole aus dem Hosenbund. Ich hatte nicht gewusst, dass er sie bei sich trug. Geduckt eilten wir zwischen die parkenden Autos.
    Die Tür zum Restaurant öffnete sich und Stephan Olivier trat aus dem Haus. Die Gardinen bewegten sich, neugierige Gesichter lugten hindurch. Von dort konnten wir keine Hilfe erwarten. Vermutlich hatten die Jäger den Leuten Lügen erzählt. Doch vor Zeugen würden sie auch nicht schießen. Oder?
    Ebony stand hoch aufgerichtet wie eine Zielscheibe neben dem steinernen Wagenrad. Die Huntsmen näherten sich ihr, die Finger bereits an den Waffen. Sie redeten auf sie ein. Floskeln wie »Ganz ruhig«, »Es passiert Ihnen nichts« und »Alles ist gut«. Ja, ganz bestimmt! Und morgen kam der Weihnachtsmann.
    Â»Sie wird sich verwandeln«, wisperte Marlon.
    Wir huschten von einem Auto zum nächsten, Marlon rüttelte an jeder Tür. Alle verschlossen. Fuck! Wir mussten hier schleunigst weg! Wenn Ebony sich in Marlons Nähe verwandelte, würde er im besten Fall zusammenbrechen und im schlimmsten Fall nie mehr aufstehen. Ich drängte ihn, schneller zu laufen.
    Einer der Jäger rief uns etwas nach. »Macht doch keine Dummheiten! Ihr habt keine Chance.«
    Ich zischte einen Kraftausdruck, Marlon entsicherte die Waffe. Hinter einem Van gingen wir in Deckung.
    Â»Atme durch!«, befahl er im Flüsterton, den Rücken an den Kotflügel gepresst.
    Ich schloss die Augen, versuchte meinen Körper zu entspannen und seiner Anweisung zu folgen, um loszustürmen, sobald er es mir sagte. Überdeutlich nahm ich den Geruch des Reifens wahr, neben dem ich kauerte.
    Ein unmenschlicher Schrei zerriss, was eben noch angespannte Ruhe vor dem Sturm gewesen war. Wie zerschnittenes Gummi sprang diese Ruhe nun auseinander und die

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