Himmelsfern
Sonnencreme und eine Badehose. Mir hielt er drei Bikinis in meiner GröÃe vor die Nase. »Such dir einen aus.«
Ich tippte ratlos auf ein bisschen Stoff in Himmelblau.
Marlon schleppte alles zur Kasse und schleifte mich kurz darauf zu unserem abgelegenen Strandabschnitt.
Es mag seltsam klingen, dass wir einen wundervollen Spätnachmittag verbrachten. Stimmungen können sehr schnell umschlagen. Wie das Wetter. Eine kurze traurige Nachricht und Menschen, die eben noch vor Glückseligkeit jubilierten, brechen in Wehleidklagen aus und erholen sich im schlimmsten Fall nie wieder davon. Andersherum erlebt man dieses Wechselbad der Gefühle seltener. Angst und Traurigkeit halten sich hartnäckiger als Freude, so wie eine Schrift aus Tinte haltbarer ist als in den Sand gemalte Worte. Doch uns gelang es, die Tinte wegzuwaschen und alles Negative für einen Moment in die verborgenen Bereiche unserer Herzen zu verbannen. Zugegeben: Die Zeit hetzte uns. Wenn es uns jetzt nicht mehr gelang, die Zweisamkeit zu genieÃen, wann dann?
Trotzig lachten wir über Witze, die nicht lustig waren. Wir küssten uns am Strand. Jagten uns durchs flache Wasser, bewarfen uns mit Sand und Schlacke und tauchten uns gegenseitig in die Wellen, um den Matsch wieder abzuwaschen. Wir rekelten uns in der Sonne, dösten zur Musik der Brandung ein und schwammen so weit hinaus, wie wir uns trauten. Und noch einen Meter weiter. Marlon bekam Sonnenbrand auf der Nase und mich streifte eine Feuerqualle. Nachdem die Sonne im Meer versunken war, begannen wir vor Hunger und Kälte zu zittern und erklärten den Tag zum schönsten unseres Lebens, sei es nur, um dem, was uns drohte, ins Gesicht zu lachen. Der Mond ging auf, wir tanzten zu Liedern, die wir grölten, und sonnten uns im Licht der ersten Sterne. Wir liebten uns am Strand, stellten fest, dass das angesichts des Sandes überall nicht so romantisch ist, wie es klingt, und taumelten betrunken von all der Glückseligkeit zum Hotel zurück. Marlon besorgte eine Flasche Sekt von der Hotelbar und wir stieÃen auf den Freitag an, der uns bereits durchs Fenster beobachtete, hieÃen ihn willkommen.
Wir wussten ja nicht, was wir taten.
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Vom Scheitern und Weitermachen
Die Morgensonne malte einen Kringel auf den Teppich. Ich war allein. Es dauerte einen Moment, bis ich mich orientiert hatte und begriff, dass der fremde Raum unser Hotelzimmer war. Doch etwas fehlte. Marlon. Ich setzte mich auf und rief seinen Namen. Vielleicht war er im Bad.
 Keine Antwort.
 Fröstelnd zog ich die Knie an die Brust. Er würde mich nicht ohne ein Wort verlassen. Sicher nicht?, höhnte es in meinen Kopf. Nein, sicher konnte man sich bei Marlon nie sein. Inständig hoffte ich, er würde keine Dummheiten machen.
 Ich grübelte noch, als das Sonnenlicht schon weit über den Teppich gewandert war und plötzlich ein Schlüssel im Türschloss klapperte. Erschrocken zog ich mir die Decke bis unters Kinn.
 Zu meiner Erleichterung war es Marlon, der eintrat. Er schien bester Laune und freute sich gleich noch mehr, als er sah, dass ich noch im Bett lag. Ich ärgerte mich über meine Schreckhaftigkeit. In der Hand hielt er eine Papiertüte, der ein verlockender Duft entstieg. Er warf sich zu mir auf die Matratze, schleuderte seine Schuhe von sich und riss die Tüte auf, sodass sie wie eine Picknickdecke zwischen uns auf dem Bett lag. »Ich habe Frühstück gemacht«, verkündete er selbstzufrieden.
 Die warmen Croissants lieÃen mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. AuÃerdem hatte er ein Glas Waldhonig besorgt, in das wir die Gebäckstücke tief eintauchten. Der Honig zog Fäden, tropfte tiefgolden auf das Laken, klebte an unseren Fingern und an meinem Kinn und schmeckte verboten gut. Mich pikten Krümel in den Hintern. Da nichts anderes da war, tranken wir den abgestandenen Sektrest dazu.
»Ich möchte ein paar Dinge klären«, sagte Marlon schlieÃlich. Er klang ernst, aber seine Augen lächelten. Vermutlich hatte er allen Grund dazu. Ich hatte Honig im Haar oder Haare im Honig, wie man es sehen wollte. In jedem Fall sah ich gewiss bescheuert aus, fühlte mich schrecklich albern und äuÃerst wunderbar dabei.
»Wir sollten über deine Freunde reden.«
Verwirrt hielt ich inne. »Meine Freunde?« Ich hatte sie in den letzten Tagen sträflich vernachlässigt, was mir leidtat. Sie
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