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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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hörte ich, wie eine Tür aufgeschlossen wurde. Ich warf einen Blick auf die Fahrstuhlanzeige. Wenn mein Retter diesmal nicht seine Flügel, sondern den Lift benutzt hatte, befand er sich im vierten Stock. Meine Hand fuhr wie von selbst in Richtung Fahrstuhlknopf, hielt dann aber abrupt inne. Das Kreischen von Metall echote durch meine Hirnwindungen. Ein abstürzender Fahrstuhl klang sicher nicht viel anders als eine zur Ziehharmonika zweckentfremdete U-Bahn.
    Ich nahm die Treppe, beeilte mich sehr und war im vierten Stock außer Atem. An die grob verputzte Wand gelehnt, gönnte ich mir einen Moment Pause. Drei Wohnungstüren zweigten vom Flur ab, vor einer standen Kindergummistiefel. Diese Wohnung schloss ich aus. Meine Chancen standen demnach fifty-fifty. Trotzdem zögerte ich, als mein Finger schon fast den Klingelknopf berührte. Was sollte ich sagen?Entschuldigung, aber ich würde gerne wissen, ob Sie mein Leben gere–
    Hinter der Tür schellte die Klingel. Ich zuckte zusammen, denn ich hatte den Knopf nicht gedrückt. In der Wohnung lief jemand auf schweren Sohlen umher, eine Tür wurde zugeschlagen, eine männliche Stimme bellte einen derben Fluch. Offenbar stand ich an der richtigen Tür, nur die Zeit war denkbar ungünstig. Kein Problem, dachte ich erschrocken, dann komme ich später wieder. Viel später!
    Im ganzen Treppenhaus war zu hören, wie jemand in vielen verschiedenen Wohnungen Sturm klingelte. Hunde begannen zu kläffen und zu jaulen, jemand schimpfte sie lautstark aus – ohne jeden Erfolg. Kurz darauf ging die Haustür auf. Schritte polterten ins Haus, ich hörte gezischte Befehle und Antworten von mindestens zwei Personen. Einfach wieder runterzugehen kam nicht infrage – wer immer da die Treppen hochstürmte, schien verdammt mies gelaunt. Also lief ich eine Etage höher und hockte mich dort nah ans Geländer, sodass ich einen guten Blick auf das Treppenhaus hatte, selbst aber nicht gleich gesehen wurde. Drei Personen eilten nach oben.
    Plötzlich wurde im vierten Stock die Tür aufgestoßen. Mein Engel stürzte aus der Wohnung und preschte die Treppe hoch, immer drei Stufen auf einmal nehmend. Er floh regelrecht vor diesen Typen. Sie schienen ihn zu suchen und sie kamen garantiert nicht von der GEZ! Ich versuchte noch, ihm auszuweichen, aber er rannte schnurstracks in mich hinein. Mit rasendem Herz starrte ich in himmelblaue Augen, die mich verwirrt und zugleich verärgert ansahen. Aus seiner Jacke schoss ein Schatten, wand sich um seinen Hals und schnappte verärgert in die Luft. Ein Frettchen. Mein Mund klappte auf, ein Teil von mir wollte unbedingt etwas sagen, wusste allerdings nicht, was. Er hielt sich in einer hastigen Bewegung einen Finger an die Lippen. Im Stockwerk unter uns knallte es. Einmal, zweimal, dann ein dumpfes Bollern. Die traten seine Tür ein! Der junge Mann packte mich am Arm und zerrte mich ein weiteres Stockwerk mit sich. Ich war alles andere als unsportlich, doch mit seinen Siebenmeilenschritten konnte ich nicht mithalten. Ein eigenartiger Geruch kroch uns hinterher und breitete sich aus. Gas? Nein, das musste ich mir einbilden. Auf halber Höhe der Treppe geriet ich ins Stolpern. Ich stürzte, stieß mir mein Knie an, das Kaugummi fiel mir aus dem Mund und meinen Lippen entwich ein Keuchen. Der Engel mit dem Frettchen sah sich noch einmal nach mir um, rannte aber weiter. Im nächsten Moment hörte ich, dass man uns bereits folgte. Zunächst wollte ich einfach stehen bleiben – ich hatte mit alldem schließlich nichts zu tun. Sie würden auf ihrer Verfolgungsjagd an mir vorbeilaufen, mich schlimmstenfalls zur Seite stoßen. Doch dann brüllte jemand von unten Worte, die wie eine Druckwelle durch das Treppenhaus wallten. Von den Wänden zurückgeworfen, bohrten sie sich in meine Ohren und ließen mein Blut gefrieren.
    Â»Lass sie nicht entwischen, Em! Knall sie ab!«
    Oh Gott, nichts wie weg hier!
    Den Schmerz im Knie ignorierend, rannte ich hinter dem Engel her, doch er war viel zu schnell und schien kein Interesse daran zu haben, mich ein weiteres Mal zu retten. Wieder strauchelte ich und hielt mich am Geländer fest. Doch schon hatte der erste Verfolger mich erreicht und von hinten gepackt. Er riss meinen Kopf an den Haaren zurück und schloss zugleich seinen Unterarm wie einen Schraubstock um meinen entblößten Hals. Ich funktionierte nicht länger

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