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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Tierhandlung führte, zuckte ich vor einer harmlosen Amsel zurück. Und ich wollte mich gleich um einen Job bewerben, bei dem es galt, Vogeldreck wegzumachen? Ich seufzte und ahnte bereits, dass ich vom Regen in die Traufe spazierte.
    Gegen kurz vor drei stand ich vor der Tierhandlung und fühlte mich nervös. Mein erstes Vorstellungsgespräch für einen Ferienjob – und ich hatte immer noch den Geschmack von Zwiebelmettbrötchen im Mund. Das ging gar nicht. Auf der anderen Straßenseite befand sich ein kleiner Supermarkt und so kratzte ich meine letzten Münzen zusammen und kaufte ein Päckchen Kaugummi. Als ich durch die mit Werbeflyern vollgeklebte Glasschiebetür wieder nach draußen trat, blendete mich die Sonne so stark, dass ich die Augen zusammenkneifen musste.
    Und dann sah ich ihn.
    Den Engel.
    Er stand inmitten von flackernden Lichtreflexionen, die im Takt meines Pulses vor meiner Linse herumtanzten. Eine kleine Tüte in der Hand haltend, verließ er die Tierhandlung; was darin war, konnte ich mir denken. Kaninchen in Glibber. Ich verbarg mich rasch hinter der Glastür und schaute zwischen einem blassrosa Werbezettel und dem Aushang der Öffnungszeiten hindurch; beobachtete, wie er die Straße auf und ab sah, als sondiere er die Lage, und sich dann in Bewegung setzte. Mein Vorstellungsgespräch war vergessen.
    Ich ließ ihm Vorsprung, bis er um die nächste Ecke bog, dann flitzte ich hinterher. Es stand außer Frage, dass ich ihn ansprechen und ihm danken musste, doch mein Hirn rückte keine Worte raus, zu denen mein Mund bereit gewesen wäre. Daher blieb ich auf Abstand und grübelte. Von diesem Engelsquatsch konnte ich ihm schwerlich erzählen. Blöderweise konnte ich an kaum etwas anderes denken. Dass er in dem Moment, als ich ihn zum ersten Mal richtig sah, von einem Halo aus buntem Licht umgeben war, machte es nicht besser. Und ja, ich wusste sehr wohl, dass dieses Licht nur entstanden war, weil mich die Sonne geblendet hatte. Und nein, dieses Wissen änderte nichts daran, dass seine Erscheinung mich beeindruckt hatte.
    Als ich um die Hausecke lugte, sah ich ihn gerade noch um die nächste Ecke verschwinden. Ich rannte ein paar Schritte. Das Restgeld hüpfte in meiner Hosentasche und mir kam endlich die rettende Eingebung: Ich würde ihn nach dem Portemonnaie fragen und ihm erzählen, dass er es im Krankenhaus abholen konnte. Ich folgte ihm in eine Seitenstraße und prallte mit einem Jungen zusammen, der in Folie gepackte Zeitungsstapel in einen Müllcontainer warf. Offenbar nahm er seinen Ferienjob auch nicht ernster als ich meinen.
    Â»Ver–« …zeihung, hatte ich sagen wollen, doch er stieß mich von sich, murrte eine Beschimpfung, die ich nicht wiederholen möchte, da sie die Intimsphäre meiner Mutter verletzt, und spuckte auf den Boden.
    Statt der Entschuldigung zeigte ich ihm einen Vogel, verzichtete aber auf einen verbalen Schlagabtausch. Diese endeten bei solchen Gestalten für einen der Kontrahenten oft in ernsthaften Schwierigkeiten und seine Oberarmmuskulatur, die von einem Lakers-Trikot eindrucksvoll in Szene gesetzt wurde, sagte mir, dass ich den Kürzeren ziehen würde. Ich sah also zu, dass ich Land gewann, und bekam gerade noch mit, wie der blonde Mann ein paar Meter vor mir in einem Hochhauseingang verschwand. Obwohl ich rannte, so schnell ich konnte, was der Zeitungsjunge offenbar lustig fand, da er es mit begeistertem Grölen kommentierte (diesmal meinen »Knackarsch« betreffend), erreichte ich die Tür erst, als sie schon ins Schloss gefallen war. Na prima. Drei nebeneinander angeordnete Säulen aus je sechs schwarzen Klingelaugen nebst Namensschildern glotzten mir hämisch entgegen. Das verdammte Haus hatte achtzehn Parteien und ich null Ahnung, wo ich klingeln sollte. Letztlich konnte ich nur hoffen, ihn noch im Flur zu erwischen, also drückte ich wahllos auf irgendeinen Knopf.
    Die Gegensprechanlage knurrte.
    Â»Wochenblatt«, kiekste ich.
    Â»Steck’s dir sonst wo hin!«
    Eine furchtbar reizende Gegend, wirklich. Ich begann zu verstehen, warum der Zeitungsbote seine Exemplare direkt in den Müll warf, und drückte den nächsten Knopf. Endlich ließ man mich ein. Im Treppenhaus roch es nach kaltem Zigarettenrauch und zu lang getragenen Schuhen. Ich reduzierte meine Atmung auf ein Mindestmaß und lauschte. Irgendwo in einem der oberen Stockwerke

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