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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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er der Grund, dass du neulich Nacht nicht nach Hause gekommen bist?« Zwar legte sie äußerst kritisch die Stirn in Falten, aber ein Hauch von amüsierter Neugier umspielte ihre Lippen. »Eins muss man dir lassen, Geschmack hast du. Ist er nett?«
    Nett? Marlon war Furcht einflößend und faszinierend wie ein kruder Albtraum. »Nett ist die kleine Schwester von Scheiße. Er ist nicht nett.«
    Â»Aber du magst ihn?«
    Ich verdrehte die Augen. »Weiß nicht. Warum bist du überhaupt schon zurück von deiner Freundin?«
    Â»Ach«, seufzte Mama, »du weißt doch, wie das ist. Man lebt sich auseinander, hat sich nichts mehr zu sagen. Aber lenk nicht ab. Ist es etwas Ernstes?«
    Â»Nein. Er kann sich nicht einmal meinen Namen merken. Und auch sonst läuft da nichts. Außerdem wird er bald weiterziehen.« Fortgehen, so hatte er es genannt, oh ja, und ich wüsste zu gerne, wohin.
    Mama warf einen Blick quer über die Straße. »Ist er ein Zigeuner?«
    Â»Hattest du mir nicht beigebracht, Zigeuner sei ein politisch inkorrektes Wort?« Political Correctness war meiner Mutter, die mit vielen Menschen aus aller Welt arbeitete, sehr wichtig. Verlor das an Bedeutung, sobald die eigene Tochter involviert war? Andererseits war die Frage gut. Konnte es sein, dass Marlon einer verfolgten Gruppe der Sinti und Roma angehörte?
    Sie seufzte erneut. »Du hast also keine Ahnung.«
    * * *
    An: [email protected]
    Betreff: Ich heiße Noa!
    Â 
    Noa – hast du verstanden? Mein Gott, wie schwer kann es sein, sich einen blöden Namen zu merken? Drei Buchstaben! Aber was habe ich auch erwartet – singende Steine. Krieg. Elitekämpfer, die dich jagen. Und nicht zu vergessen: Ich bin in Gefahr und du darfst mir keine weiteren Informationen geben.
    Marlon – du schaust eindeutig zu viele schlechte Filme.
    PS: Und du bist kein bisschen nett!

 

    Wie man zu glauben lernt
    Am letzten Tag meines Hausarrests ging ich noch einmal mit Mama ins Fitnessstudio, auch wenn ich ihren sportlichen Ehrgeiz leider in keiner Weise teilte. Sie wollte bald abreisen und mir kamen Zweifel, ob ich mit diesem Olivier überhaupt reden sollte. Besser nicht; erst recht nicht, wenn ich allein war. Das Gespräch mit Marlon hatte meinem Mut einen Dämpfer verpasst. Elitekrieger, die unter Zuhilfenahme illegaler Substanzen Menschen jagten? Damit wollte ich lieber nichts zu tun haben. Die Zeit war reif, das Experiment McSweat zu beenden.
    Es hätte mich eigentlich nicht wundern dürfen, dass meine Suche Erfolg hatte, kurz nachdem ich diesen Entschluss gefasst hatte.
    Ich hoppelte gerade zum letzten Mal mit mäßigem Elan und Schweißflecken unter den Achseln auf einem Crosswalker herum, als ich durch die Scheibe sah, wie er aus den Duschen trat, das Café im vorderen Bereich des Studios durchquerte, jemanden grüßte und hinausging. Stephan Olivier. Zweifel hin oder her – diese Chance durfte ich mir nicht durch die Lappen gehen lassen.
    Â»Ich komme gleich wieder, habe einen Bekannten gesehen!«, rief ich meiner Mutter zu. Sie nickte nur. Die Straffung ihrer Oberschenkelinnenseiten erforderte offenbar ihre ganze Aufmerksamkeit.
    Ich verzichtete aufs Umziehen, wischte mir lediglich mit dem Handtuch übers Gesicht und flitzte nach draußen.
    Olivier war nach links gegangen, wo die Straße an einem großen Speditionsgelände vorbeiführte, auf dem etliche Lastwagenanhänger und Container parkten. Ich sah ihn knappe fünfzig Meter vor mir, er ging zügig und mit gesenktem Kopf. Seine Schulter streifte fast den Maschendraht, so nah hielt er sich am Zaun. Mein Plan, ihn in der Öffentlichkeit zur Rede zu stellen, war leider dahin: Die Straße war zwar viel befahren, aber ob jemand für ein Mädchen in Schwierigkeiten anhielt, war eine andere Frage. Ich folgte ihm mit Abstand und hoffte darauf, dass sich ein Zufall ergeben würde. Und tatsächlich: Als ich das breite Rolltor des Speditionsgeländes passierte, fuhr gerade ein Lkw hinaus. Das Glück war auf meiner Seite.
    Wenn es denn Glück ist, bremste ich meinen Enthusiasmus, und nicht das komplette Gegenteil. Sicherheit geht vor! Halten Sie Abstand! , mahnte ein riesiger Aufkleber hinten auf dem Anhänger. Na, wenn das mal kein Zeichen war.
    Die beiden Torhälften glitten automatisch wieder aufeinander zu, nachdem der Lkw auf die Straße abgebogen war, und

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