Himmelsgöttin
rollen.
Beth Curtis schwieg, bis sie ihre Reiseflughöhe erreicht hatten und auf Japan zuschwebten. Tuck unterließ es, den Autopiloten einzuschalten, und brachte die Maschine ganz vorsichtig, allenfalls ein Grad pro Minute, auf Kurs nach Westen.
»Also, wie hat's dir gefallen?«
»Ziemlich beeindruckend, aber ich kapier's nicht. Warum zieht ihr so eine Show ab, um jemanden in ein Krankenhaus zu kriegen und zu operieren? Wieso schickt ihr nicht einfach die Wachen raus?«
»Wir nehmen ihnen die Nieren nicht ab, Tucker. Sie geben sie uns freiwillig.«
Tuck wollte nicht damit herausrücken, was er von Sepie und Malink über die »Auserwählten« erfahren hatte. Also sagte er: »Wem geben sie sie? Einer nackten weißen Frau?«
Sie lachte, griff zu ihrem Aktenkoffer und zog ein 18x24 Zentimeter großes Farbfoto heraus. »Der Himmelsgöttin.« Sie hielt das Foto so, daß Tuck es sehen konnte. Er mußte von Hand steuern. Wenn er den Autopiloten einschaltete, wäre das Flugzeug umgeschwenkt auf Kurs nach Japan, denn ein anderes Ziel war im Computer nicht einprogrammiert. Das Foto war zwar alt, aber dennoch farbig. Es zeigte einen Flieger, der neben einem B-26-Bomber stand. Auf dem Rumpf des Bombers war eine kurvenreiche nackte Frau aufgemalt, und darunter prangte die Aufschrift H IMMELSGÖTTIN . Es hätte glatt ein Gemälde von Beth Curtis sein können, so wie sie aussah, als sie in Tucks Bungalow aufgetaucht war. Den Flieger erkannte er ebenfalls wieder. Es war der Geisterpilot, der ihm die ganze Zeit über den Weg gelaufen war. Er spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg, doch er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. »Und wer ist das?«
»Der Flieger ist ein Kerl namens Vincent Benedetti«, erklärte Beth. »Der Name des Flugzeugs war Himmelsgöttin. Die ganzen Bomber im Zweiten Weltkrieg hatten solche Gemälde an der Nase. Wir haben das Bild in einer Bibliothek in San Francisco gefunden.«
»Schön und gut, aber was hat das mit unserem Unternehmen zu tun? Du putzt dich raus wie das Bild auf einem Flugzeug.«
»Nein, ich bin die Himmelsgöttin.«
»Tut mir leid, Beth, aber ich kapier's immer noch nicht.«
»Das hier ist der Pilot, den die Haifischmenschen verehren. Der Kargo-Kult, von dem Bastian dir erzählt hat.«
Tuck nickte und versuchte einen überraschten Eindruck zu machen, während er möglichst unauffällig den Kurs im Auge behielt. Wenn seine Berechnungen stimmten, waren sie in etwa einer Viertelstunde über Guam, wo amerikanische Militärflugzeuge sie zur Landung zwingen würden. Die Air Force konnte es gar nicht leiden, wenn man mit Privatjets durch ihren Luftraum kreuzte.
»Die Eingeborenen von Alualu verehren diesen Vincent«, sagte Beth. »Ich bin Vincents Sprachrohr. Sie kommen zu mir, wenn wir die Musik abspielen, und ich gebe ihnen alles. Als Gegenleistung erwähle ich einen von ihnen und verleihe ihm die Ehre, das Zeichen Vincents zu tragen, was natürlich nichts weiter ist als die Operationsnarbe.«
»Aber wie gesagt, ihr habt bewaffnete Wachen. Warum nehmt ihr euch nicht einfach, was ihr wollt?«
Sie schaute ihn an, als sei sie entsetzt darüber, daß er eine solche Frage überhaupt stellte. »Und mich aus dem Showbusineß zurückziehen?« Dann lächelte sie, streckte den Arm aus und griff ihm in den Schritt.
»Als ich Sebastian in San Francisco begegnet bin, war er besoffen und hat mit Geld nur so um sich geschmissen. So würdevoll und gelehrt er im einen Augenblick war, so naiv war er im nächsten. Wie ein kleines Kind. Er hat mir von dem Kargo-Kult erzählt, und meine Idee war es, das Ganze nicht nur aufzuziehen, um die Klinik zu finanzieren, sondern um haufenweise Geld zu scheffeln und stinkreich zu werden. Wir mußten die Leute bei Laune halten, wenn wir das Ganze im großen Stil durchziehen wollten.«
»Also hast du dir das Ganze ausgedacht?«
»Deswegen bin ich hier.«
»Aber Sebastian hat erzählt, du wärst eine« – beinahe hätte Tuck »Stripperin« gesagt, doch im letzten Moment kriegte er die Kurve – »OP-Schwester.«
»War ich auch. Na und? Hat mir das irgendwas gebracht? Respekt oder Macht? Nein. Für die Ärzte war ich einfach nur ein Stück Arsch, das mit chirurgischen Instrumenten umgehen und einen Patienten zumachen konnte, wenn sie dringend rausmußten zum Golfplatz. Hat Sebastian dir erzählt, daß ich Stripperin war?«
»Er hat so was beiläufig mal erwähnt.«
»Na ja, ich war's jedenfalls. Und ich war klasse.«
»Das kann ich mir vorstellen«,
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