Himmelsgöttin
nicht verstehen, was sie sagte, aber er sah, wie sie mit den Armen in der Luft herumfuchtelte wie ein Wanderprediger in eigener Sache, während die Menschenmenge mitschwang, zusammenzuckte und ihr förmlich an den Lippen hing. Irgendwann machte sie eine Pause und reichte Malink die Zeitschriften hinab, der sie in Empfang nahm und sich mit gesenktem Haupt rückwärts von der Tribüne entfernte.
Tuck fand die Vorstellung nicht im geringsten ekelerregend, aber höchst merkwürdig war es denn doch. Warum all dieser Aufwand und die Umstände? Mit sechs Leuten mit Maschinenpistolen kann man sich so ziemlich jede Niere krallen, die man haben will.
Er mußte nachdenken, und außerdem hatte er keine Lust zu sehen, wen sie auswählte. Wer immer es auch sein mochte, sein Gesicht würde ihm während des gesamten Fluges nach Japan und zurück nicht mehr aus dem Kopf gehen. Er lief in den Hangar, ließ die Einstiegsluke der Lear herunter, kletterte in das unbeleuchtete Flugzeug und legte sich im Mittelgang zwischen den Sitzreihen auf den Boden. Er konnte weder die Himmelsgöttin hören noch die Eingeborenen mit ihren Ooohs und Aaaahs. Und hier, zwischen Stahl, Glas, Plastik und Polstersesseln, fühlte er sich zu Hause. Hier hörte er nur die Geräusche aus seinem eigenen Kopf; hier in diesem Lear-Jet, der sein Eigentum war, blieb die ganze Verdrehtheit draußen. Hätte ihm nicht der Schlüssel gefehlt, er hätte sich den Flieger in diesem Augenblick unter den Nagel gerissen.
Mit einem Tritt gegen den Oberschenkel, der viel fester war als notwendig, weckte der Wachmann Tuck auf. Als er hochblickte, erkannte Tuck den Wachmann, der ihn am Strand zusammengeschlagen hatte. Er hatte eine Narbe an der Stirn, die als unbehaarter Streifen bis hinauf auf seine Kopfhaut reichte, und Tuck hatte ihm schon den Namen Stripe verpaßt, nach dem fiesen kleinen Monster aus dem Film Gremlins. Tuck war stinksauer, er kochte vor Wut, und nur der Anblick der Uzi bewahrte ihn davor, sich eine erneute Tracht Prügel einzufangen.
Den Schlüssel in der Hand schwenkend, marschierte der Wachmann zum Hauptschalter der Lear. Es ging los. Tuck humpelte zum Cockpit und schnallte sich auf dem Pilotensitz an. Stripe steckte den Schlüssel in die Instrumentenkonsole, drehte ihn herum und trat zurück, um Tuck zuzusehen, wie dieser die Triebwerke in Gang setzte.
Die übrigen Ninjas zogen den Lear mit einem großen T-Träger, der am Bugrad der Maschine befestigt war, aus dem Hangar heraus. Als sie sicher draußen angelangt waren, ließ Tucker die Triebwerke warmlaufen, während Stripe, die Uzi quer vor der Brust, sich nicht von der Stelle rührte.
Tuck machte eine große Show daraus, die einzelnen Punkte der Checkliste abzuhaken und die Schalter und Anzeigeninstrumente zu überprüfen. Schließlich verzog er das Gesicht und klickte ein paarmal am Schalter für das Radar. Er drehte den Kopf und wandte sich an Stripe: »Geh mal nach vorne, zur Nase, da stimmt irgendwas nicht.«
Der Wachmann schüttelte den Kopf. Tuck wiederholte seine Anweisung in Zeichensprache, und diesmal nickte Stripe. Durch das Fenster winkte er einen der anderen Wachen heran und bedeutete ihm, an Bord zu kommen. Offensichtlich wollten sie Tuck keine Sekunde unbewacht im Flugzeug lassen, solange der Zündschlüssel steckte. Stripe überließ seinen Wachposten dem anderen Ninja und tauchte schließlich am Bug des Flugzeugs auf. Tuck bedeutete ihm, daß er näher an die Nase herangehen sollte. Stripe tat, wie ihm geheißen. Tuck schaltete das Radar ein. »Und hier ein süßer Gehirntumor, nur für dich, du Hurensohn.« Es schien fast, als würde Stripe die Energie der Mikrowellen spüren können, jedenfalls machte er einen Satz zurück. Tuck grinste und gab ihm ein Zeichen, daß alles okay war. »Ich hoffe bloß, deine kleinen Eier kochen«, sagte er laut. Der Wachmann hinter ihm schien zwar nicht zu verstehen, was Tuck sagte, doch er stieß ihn mit dem Lauf der Uzi an und deutete damit nach draußen. In ihrem dunklen Armani kam Beth Curtis über das Gelände, in der einen Hand den Aktenkoffer, in der anderen die Kühlbox.
Sie stieg ins Flugzeug und nickte dem Wachmann zu. Anstatt zu gehen, setzte er sich auf einen der Passagiersitze. Beth selbst schnallte sich auf dem Copilotensitz an.
»Bringen wir ihn zu seinem Landurlaub?« fragte Tuck.
»Nein. Er fliegt heute abend einfach nur so mit.«
»Ach so.« Tuck beschleunigte die Triebwerke und ließ den Lear-Jet langsam zur Startbahn
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