Himmelsgöttin
versuchte er sich eine Erklärung zurechtzubasteln, die jedermann zufriedenstellen würde. Als ob das Amt des Häuptlings nicht ohnehin schon schwierig genug gewesen wäre, wenn man morgens keinen Kaffee trank – er litt schon seit zwei Wochen unter Kopfschmerzen infolge von Koffeinentzug –, nun bereitete ihm auch noch seine Rolle als religiöser Führer Probleme. Einer Religion vorzustehen war ein ziemlicher Brocken Arbeit, wenn die Götter einem plötzlich ins Handwerk pfuschten und einem die schönsten Prophezeiungen vermasselten. Und was war, wenn er eine Erklärung zustande brachte und die Himmelsgöttin irgend etwas sagen würde, das in krassem Widerspruch zu ihm stand? Angeblich war sie die Stimme von Vincent, doch diese Stimme hatte in letzter Zeit ziemlich wütend geklungen, und so wagte er es nicht, sie um Hilfe zu bitten, wie er es in der Vergangenheit schon getan hatte. Jedenfalls nicht in Anwesenheit seiner Leute.
Er trat aus dem Dschungel, gerade noch rechtzeitig, um die blitzenden Explosionen zu sehen. Die Himmelsgöttin trat aus dem Rauch, und an ihrem Gang konnte Malink selbst auf eine Entfernung von hundert Metern erkennen, daß sie guter Laune war. Erleichtert atmete er auf. Sie hatte ihnen Zeitschriften mitgebracht. Wenn seine Leute glücklich und zufrieden waren mit dem, was sie sagte, konnte er sich wieder damit rausreden, es sei »der Wille Vincents« gewesen, daß er ihnen nicht Bescheid gesagt hatte.
Nie im Leben hätte er den wahren Grund dafür auch nur ahnen können, warum der Medizinmann ihn nicht auf das Erscheinen der Himmelsgöttin vorbereitet hatte: Zu dem Zeitpunkt, zu dem er normalerweise bei Malink anrief, um ihn zu warnen, hatte der Medizinmann durchs Fenster den Ritt der Himmelsgöttin auf Tucker Case mit angesehen.
Tucker wartete fünf Minuten, bevor er seine Hose anzog und zur Tür des Bungalows hinausglitt, wo er Sebastian Curtis beinahe umgerannt hätte. Der Doktor, der normalerweise so cool wirkte, war schweißgebadet und stierte an Tuck vorbei in Richtung Klinik. »Mr. Case, ich dachte, Sie machen das Flugzeug startklar. Hat Beth Ihnen gesagt, daß Sie fliegen müssen?«
Tuck mußte sich zusammenreißen, um nicht wegzurennen. Er hatte noch nicht genug Zeit gehabt, um irgendwelche Reuegefühle zu entwickeln, weil er mit der Frau des Doktors geschlafen hatte. Außerdem war Reumütigkeit ohnehin nicht seine Stärke. »Ich war gerade auf dem Weg, um die Startvorbereitungen zu treffen. Es dauert nicht allzulange.«
Der Doktor vermied es, Tucker anzuschauen. »Entschuldigen Sie, wenn ich etwas abgelenkt wirke, aber ich muß in ein paar Minuten eine schwere Operation durchführen. Sie sollten sich Beths kleine Show ansehen.«
»Deswegen die Musik und die Explosionen?«
»Auf diese Weise gewinnen wir unsere Spender. Ich bin sicher, Beth wird Ihnen noch ihre Theorie darüber, wie Religion und Theater zusammenhängen, erklären. Aber jetzt entschuldigen Sie mich bitte.« Er schob sich an Tucker vorbei und starrte auf seine Schuhe, während er zur Klinik ging.
»Und Sie sehen sich das Ganze nicht mit an?« sagte Tuck.
»Danke, nein. Ich finde es ekelerregend.«
»Oh«, sagte Tuck. »Dann gehe ich jetzt mal los und mache die Lear startklar. War ein prima Spiel heute, Doc.«
»Ja«, sagte Curtis. Dann ging er weiter mit steifen Armen in Richtung Klinik, seine Fäuste so fest zusammengeballt, daß Tuck sehen konnte, wie sie zitterten.
Die Wachen standen am Rand des Hangars herum. Mato schaute einmal kurz auf und blickte Tuck gerade mal so lange in die Augen, daß dieser sehen konnte, wie nervös er war. Tuck wünschte sich, er hätte ihn gefragt, ob die anderen Wachen Englisch sprachen.
»Konichi-wa, Motherfuckers«, sagte Tuck, sein linguistisches Potential voll ausschöpfend.
Die Wachen zeigten keine Reaktion. Bis auf Matos waren aller Augen auf Beth Curtis gerichtet, die zu Benny Goodmans »Sing, Sing, Sing« über das Rollfeld tanzte. Einer der Wachmänner drückte auf einen Knopf, und die Musik verstummte in dem Augenblick, als Beth Curtis eine kleine hölzerne Plattform auf der abgelegenen Seite des Rollfelds hinaufstieg. Nun, da die Lautsprecher schwiegen, konnte Tuck die Trommeln der Haifischmenschen hören. Einige von ihnen marschierten in Formationen und hielten rot bemalte Bambusstäbe in den Händen, die Gewehre darstellen sollten. Beth Curtis hob die Hände in die Höhe, eine Ausgabe von People in jeder Hand, und die Trommeln verstummten.
Tuck konnte
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