Himmelsgöttin
zur Taille hochgeschoben. »Wir sind Freunde.«
Es kam heraus wie ein Befehl, aber Tuck hörte einen Unterton der Verzweiflung aus all dem Keuchen und dem Zorn heraus, und er spürte ein quälendes Zerren in seiner Brust, einen Schmerz, wie er ihn noch nie zuvor gefühlt hatte. »Ich kenne dich, Beth. Ich bin du«, sagte er erneut. Aber jetzt nicht mehr, dachte er und sagte: »Ja, wir sind Freunde.«
Sie lächelte wie ein kleines Mädchen, das ein Pony zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. »Ich wußte es«, sagte sie. Sie stand auf, zog sich ihren Rock herunter und strich ihn glatt. Dann beugte sie sich vor und küßte ihn auf eine Augenbraue.
Sie sagte: »Ich sehe dich in ein paar Stunden. Wir fliegen um neun los. Ich muß mich um Sebastian kümmern.«
Tuck zog sich den Reißverschluß seiner Hose zu. »Und dich für die Vorstellung fertig machen?« fragte er.
»Nein, diesmal holen wir nur Ausrüstung ab.«
Tuck nickte. »Beth, war der kleine Junge wirklich von Geburt an blind?«
»Aber sicher«, sagte sie und schaute beleidigt. Sie war überzeugender als die Himmelsgöttin.
»Dann kümmere du dich um Sebastian«, sagte Tuck.
Nachdem sie gegangen war, blickte Tuck zur Zimmerdecke und sagte: »Vincent, ich kauf dir deinen Scheiß nicht ab. Wenn du mir helfen willst, prima. Aber wenn nicht, dann pfusch mir nicht in meinen Kram rein.«
55
Achten Sie nicht auf den Mann
hinter dem Computer
Tuck ging ins Badezimmer, wusch sich das Gesicht und kämmte seine Haare. Eingehend betrachtete er sein Gesicht im Spiegel und suchte nach jenem furchterregenden Glitzern, das er in Beth Curtis' Augen gesehen hatte. Er war nicht sie. Er war nicht so gerissen wie sie, aber er war auch nicht so durchgeknallt. Er krümmte sich zusammen bei der Erkenntnis, daß er den Großteil seines Erwachsenenlebens damit verbracht hatte, ein Idiot zu sein oder ein Schlappschwanz oder manchmal beides zusammen. Und es war eine Ironie von nicht gerade kleinen Ausmaßen, daß ihm die Verkündigung dieser Wahrheit ausgerechnet im Verlauf eines Blow Jobs widerfahren war. Vincent, was auch immer er sein mochte, hatte von Anfang an irgendein Spiel mit ihm getrieben. Er hatte Lügen und Wahrheit vermischt, ihm nur geholfen, um ihn in den Schlamassel zu reiten. Es gab niemanden, der ihm aus der Patsche half, und wenn er herausfinden wollte, was wirklich mit ihm passieren sollte, mußte er in den Computer kommen.
Der beste Zeitpunkt, um sich in die Klinik zu schleichen, war genau jetzt, am hellichten Tag. Er hatte die Wachen den ganzen Tag noch nicht gesehen, und Beth »kümmerte sich um Sebastian«. Wenn er erwischt wurde, würde er einfach sagen, daß er sich die Wettervorhersage für den Flug heute nacht einholen wollte. Wenn der Doc in der ganzen Welt Faxe und E-Mails herumschicken konnte, dann hatte er garantiert auch Zugang zu Wetterdiensten. Es spielte aber auch keine Rolle; er glaubte nicht, daß es ihm große Mühe bereiten würde, den Doc zu überzeugen, daß er einfach nur blöde war. Sein ganzes Leben war er nichts anderes gewesen, da mußte diese Tarnung jetzt einfach funktionieren.
Er schnappte sich Papier und Bleistift von seinem Nachttisch und steckte beides in seine Gesäßtasche. Wenn er schon mal da war, konnte er auch gleich versuchen, die Koordinaten von Okinawa herauszubekommen. Wenn er es schaffte, sie heimlich in den Navigationscomputer einzugeben, konnte er unter Umständen das Militär dazu bringen, den Jet dort zur Landung zu zwingen. Er hatte nicht den Hauch einer Chance dorthin zu kommen, wenn er sich auf seine eigenen Navigationskünste verließ.
Er blieb auf dem Lanai stehen und warf einen Seitenblick auf die Unterkunft der Wachen, um sicherzugehen, daß niemand hinter der Tür lauerte und seinen Bungalow beobachtete. Zufrieden ging er zur Klinik und drückte vorsichtig die Türklinke herunter. Sie war nicht verschlossen.
Erneut warf er einen prüfenden Blick über das Gelände, sah nichts und glitt durch die Tür. Sogleich schlug ihm der Klang von Stimmen entgegen, die aus dem Hinterzimmer drangen. Männerstimmen, die japanisch sprachen. Auf Zehenspitzen schlich er sich zu der Tür, die zum Operationszimmer führte, und öffnete sie einen winzigen Spalt. Die Tür am anderen Ende des Raums stand offen, und er sah, daß sämtliche Ninjas um eines der Krankenbetten herumsaßen und Karten spielten. Stripe hatte Besuchstag. Sachte drückte Tuck die Tür zu und ging zum Computer.
Es hatte eine Zeit gegeben, da
Weitere Kostenlose Bücher