Himmelsgöttin
die Luft, als der Hai ins Boot kam. Roberto breitete seine Flügel aus und flatterte himmelwärts. Kimi griff nach unten und brachte den Benzinschlauch aus Gummi zum Vorschein.
Tucker hielt verzweifelt Ausschau nach irgend etwas, das sie als Waffe verwenden konnten, bis ihm einfiel, daß er letzte Nacht das Taschenmesser in seine Hose gesteckt hatte. Es war noch immer dort.
Kimi drosch mit dem Gummischlauch auf den Haifisch ein und kroch rückwärts auf den enormen Benzintank, der die gesamte Mitte des Bootes einnahm. Tuck klappte das Messer auf und hechtete zu dem Seefahrer. »Kimi!«
Kimi streckte den Arm nach hinten aus, und Tuck steckte ihm den Griff des Messers in die Hand. Der Hai war mittlerweile mit der Hälfte seines drei Meter langen Körpers im Boot. Er schlug mit dem Schwanz wild hin und her, damit er genügend Schwung bekam, um sich auf den Benzintank hochzuwuchten. Kimi schob sich weiter zurück. Roberto flatterte kreischend in der Luft.
Kimi fand mit dem rechten Fuß Halt an dem Schraubverschluß des Benzintanks und richtete sich auf. Tuck dachte, er würde mit dem Messer auf den Hai einstechen, doch statt dessen schnitt er die Benzinleitung durch und spritzte dem Hai einen Schwall Sprit in sein weit aufgerissenes Maul. Der Hai zappelte wie wild und rutschte seitlich aus dem Boot.
Triumphierend schwenkte Kimi das Messer in der Luft herum. »Hey, du Arschgesicht, jetzt du abhauen. Das nicht schmecken so süß wie Kimi, hä?« Er ließ sich auf den Benzintank zurückfallen und holte tief Luft. »Wir zeigen dem Hai, wer der Boß.«
Tuck sagte: »Kimi, da sind noch mehr.« Und deutete auf eine Gruppe von Flossen, die sich dem Heck näherten.
20
Führertum ist eine Drecksarbeit
Der Sturm war dem Haifischvolk gnädig gewesen. Lediglich hie und da fehlte ein Stück von einem der Strohdächer, eine Kombüse war umgeblasen worden, einige Brotfrüchte und Kokosnüsse waren von den Bäumen gefallen – aber alles in allem nichts, was Elend und Mühsal verursacht hätte. Etwas Meerwasser war in die Taro-Beete geschwappt, aber es blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten, um zu sehen, ob es genug gewesen war, um die Saat zu vernichten. Die Menschen des Haifischvolks gingen die Aufräumungsarbeiten in aller Ruhe an. Das meiste wurde von den Frauen erledigt, während die Männer im Schatten des Männerhauses saßen, alkoholischen Tuba tranken und so taten, als würden sie schwerwiegende religiöse Angelegenheiten diskutieren. In Wahrheit ging es ihnen darum, sich die heiße Zeit des Tages zu vertreiben und sich zu betrinken, bevor es Zeit für das Abendessen war.
Malink, der Häuptling des Haifischvolkes, stand spät auf. Er erwachte zitternd und voller Angst und überlegte, wie er einen überaus seltsamen Traum deuten sollte. Er rollte von der Grasmatte, die ihm als Bett diente, erhob sich mit knirschenden Gelenken und schlenderte aus der Hütte, um sich am Fuße eines riesigen Brotfruchtbaumes Erleichterung zu verschaffen.
Er war ein kleiner, muskulöser Mann von sechzig Jahren. Sein Haar war buschig und völlig weiß. Seine Haut, ehedem hellbraun wie ein Karamelbonbon, war über die Jahre verbrannt und hatte nun die Farbe einer patinierten Kupfermünze. Wie die meisten Männer des Haifischvolks trug er nichts weiter als einen Lendenschurz aus Baumwolle und einen Kranz aus frischen Blumen in seinem Haar (den hatte eine seiner vier Töchter dort hingetan, während er schlief). Auf seinen linken Brustmuskel war ein Hai tätowiert, auf den rechten ein B-26-Bomber.
Er ging zurück zu seiner Hütte und zog eine stählerne Munitionskiste vom Dachgebälk. Darin lag ein Gürtel aus Nylongewebe mit einem Halfter, in dem ein tragbares Telefon steckte – das Insignium seiner Macht, seine direkte Verbindung zum Medizinmann. Das einzige Mal, daß er es benutzt hatte, war gewesen, als seine Tochter mitten in der Nacht hohes Fieber bekommen hatte. Er hatte den Knopf gedrückt, und der Medizinmann war ins Dorf gekommen und hatte ihr eine Medizin gegeben. In diesem Augenblick hatte er Angst, das Telefon zu benutzen, doch in seinem Traum war ihm gesagt worden, daß er eine Nachricht bestellen mußte.
Malink wäre wesentlich lieber ins Männerhaus gegangen, um ein paar Stunden darüber zu diskutieren, wie er sich entscheiden sollte, doch er brachte es nicht fertig. Er hatte die Nachricht aus seinem Traum auszurichten. Vincent hatte es so gesagt, und Vincent wußte alles.
Als er den Knopf drückte, wünschte er
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