Himmelsgöttin
sich die Zähne zu putzen, ging Tuck zu Bett.
33
Auf der Jagd nach dem Knüller
Die Eingeborenen lagen schlafend Seite an Seite oder quer übereinander auf dem Deck der Micro Spirit zusammengepfercht. Hier und da kam ein Thu oder ein Lavalava zwischen der gelatinösen Masse aus braunem Fleisch zum Vorschein und bildete einen Farbtupfer, so daß er Anblick, der sich einem bot, wirkte, als wäre eine Schachtel Pralinen in der Sonne geschmolzen und ihre Füllung herausgequollen. Mitten in diesem Durcheinander lag Jefferson Pardee, der jedes Rollen und Stampfen des Schiffes mitmachte. Wann immer das Schiff sich nach Steuerbord neigte, fand er sich unter drei schlafenden Kindern wieder, während bei Bewegungen zur Backbordseite hin eine dickleibige Eingeborenengroßmutter sich an ihn schmiegte. Mittlerweile war schon dreimal jemand mit ascheverschmierten Füßen auf ihn getreten, einmal davon in den Unterleib, und außerdem war er ziemlich sicher, daß er spürte, wie Läuse auf seiner Kopfhaut herumkrochen.
Außerstande zu schlafen erhob er sich, und augenblicklich füllte die amöbenartige Masse um ihn herum die so entstandene Lücke. Der Mond war dreiviertelvoll und stand hoch am Himmel, so daß Pardee genug sehen konnte, um sich seinen Weg zur Reling zu bahnen, wobei er lediglich einmal auf eine Frau trat und damit eine blumenreiche Kanonade von Verwünschungen durch zwei Männer auslöste. Einmal an der Reling angelangt, wehte ihm der warme Wind um die Nase und vertrieb den widerlich süßen Geruch von Schweiß und den Gestank ranziger Nüsse, der aus den mit Kopra gefüllten Ladeluken quoll. Das Spiegelbild des Mondes auf der schwarzen Meeresoberfläche zitterte wie ein Tropfen Quecksilber. Ein Schwarm Delphine tummelte sich in der Bugwelle des Schiffes wie eine Horde grauer Geister.
Pardee atmete ein paarmal tief durch, pinkelte über die Bordkante und zog eine Zigarette aus der Brusttasche seines Hemdes. Er zündete sie mit einem Einwegfeuerzeug an und stieß unter großem Seufzen eine lange Rauchsäule aus. Nach dreißig Jahren in den Tropen hatte er, den Mangel an Komfort und Bequemlichkeit betreffend, eine gewisse Toleranz entwickelt. Was ihn in diesem Augenblick schier verrückt machte, war der Ausbruch aus seinem gewohnten Trott. Wäre er in Truk gewesen, hätte er sich jetzt mit einem Handtuch den Geruch von abgestandenem Bier und die Ausdünstungen einer glitschigen Reitpartie mit einer Ein-Dollar-Nutte abgenibbelt und anschließend die letzten Vorbereitungen getroffen, um über einer Mencken-Ausgabe im Luftstrom seines kleinen Airconditioners einzudämmern. Kein Gedanke an den nächsten Tag oder an den, der gerade hinter ihm lag, denn ein Tag war hier wie jeder andere. Alles, was er wollte, war ein kühler, wolkenverhangener Schlaf, damit er, wenn auch nur für einen Moment, das Gefühl hatte, er sei wieder der Junge aus dem Mittelwesten. Auf der Suche nach Abenteuern, ausgelaugt und erschöpft von Leidenschaft und Furcht – und nicht der alte fette Sack, der niedergedrückt wurde von unendlicher Langeweile.
Und hier, in der salzigen Luft im Schein des Mondes, während er einer Story nachspürte, die sich auch als bloßes Gerücht entpuppen konnte, spürte er, wie der Pilz in seinen Lungen wucherte, wie sein Rücken schmerzte, wie schwer auf seinem Herzen das Gewicht von zehntausend Bieren, einer halben Million Zigaretten und dreißig Jahren Fisch lastete, der in Kokosöl gebraten war. Und nichts davon – absolut nichts – wog so schwer wie die Möglichkeit zerstobener Hoffnungen. Warum hatte er sich eingelassen auf eine Zukunft und die Möglichkeit des Scheiterns, wenn er, was das Scheitern anging, sowieso nicht die geringsten Probleme hatte?
»Du nicht schlafen können?« fragte der Maat.
Pardee hatte gar nicht gehört, wie der drahtige Seemann an die Reling getreten war. Er trank eine große Dose Budweiser, was gegen die Vorschriften war, und beim Anblick der Dose wurde Pardee von einem gierigen Verlangen durchzuckt, als hätte er einen Wurm in der Brust.
»Hast du noch so eine?«
Der Maat griff tief hinab in die Tasche seiner Shorts, brachte ein weiteres Bier zum Vorschein und reichte es Pardee. Es war zwar warm, doch Pardee knackte die Dose und schüttete die Hälfte des Biers hinunter.
»Wie lange dauert's noch bis Alualu?« fragte er.
»Drei, vielleicht vier Stunden. Sonnenaufgang. Wir dich absetzen an Nordseite von Insel, du schwimmen.«
»Was?« Pardee schaute hinab auf die
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