Himmelsgöttin
schwarzen Wellen und blickte dann wieder den Maat an.
»Der Doktor niemand auf die Insel lassen, außer wenn Fracht bringen. Du müssen schwimmen und an Land gehen auf andere Seite von Insel. Gerade mal achthundert Meter, vielleicht weniger.«
»Und wie komme ich wieder zurück aufs Schiff?«
»Captain sagen, er fahren Bogen um Insel, wenn wir abfahren. Captain sagen, wir warten halbe Stunde. Du wieder rausschwimmen. Wir dich aufsammeln.«
»Könnt ihr kein Boot schicken?«
»Nix Boot. Einzige Lücke in Riff auf Südseite, wo wir Ladung löschen. Wir haben viele Fässer mit Treibstoff und Kisten. Wir sieben, vielleicht acht Stunden brauchen.«
Pardee hatte tausendmal gesehen, wie die Spirit im Hafen von Truk angekommen war; jedesmal war sie von Kanus und Außenbordern voller aufgeregter Eingeborener umgeben gewesen. »Vielleicht kann ich einen von den Haifischmenschen dazu bringen, daß er mich im Boot mitnimmt.« Er hatte nicht die geringste Lust darauf, sich in dieses Wasser zu stürzen, und die Vorstellung, achthundert Meter schwimmen zu müssen, gefiel ihm ganz und gar nicht. Er war sich nicht sicher, ob er es schaffen würde.
»Haifischmenschen nicht haben Boote. Sie nie verlassen Insel.«
»Keine Boote?« Pardee war erstaunt. Auf einer dieser Inseln zu leben und kein Boot zu haben, war in etwa das gleiche, als wenn man in Los Angeles wohnte und kein Auto hatte. So was gab es einfach nicht; es war ein Ding der Unmöglichkeit.
Der Maat klopfte Pardee auf die breite Schulter. »Du werden schaffen. Ich haben Maske und Flossen für dich.«
»Was ist mit Haien?«
»Haie haben Angst in dieser Gegend. Auf meisten Inseln Menschen haben Angst vor Haien. Auf Alualu Haie haben Angst vor Menschen.«
»Bist du da sicher?«
»Nein.«
»Na prima. Hast du noch ein Bier?«
Drei Stunden später lag die Sonne über dem Horizont wie ein silbernes Tablett, und Pardee ließ sich von dem Maat die Schwimmflossen mit Klebeband an den Füßen festmachen. An Deck wimmelte es von aufgeregten Eingeborenen, die Reisbällchen mit Taropaste aßen, Zigaretten rauchten, über die Reling kackten und den Laden des Schiffes umlagerten, um Coca-Cola, Planter's Cheese Balls, australisches Corned Beef und natürlich Spam zu kaufen. Eine kleine Gruppe hatte sich versammelt, um zuzuschauen, wie der weiße Mann sich bereit machte, schwimmen zu gehen. Pardee stand in seinen Boxershorts an Deck – bis auf seine Unterarme und das Gesicht, die aussahen, als wären sie in rote Holzfarbe getaucht worden, weiß wie eine Made. Der Maat stopfte Pardees Kleider und seinen Notizblock in einen Müllsack, den er ihm anschließend übergab, bevor er sich daranmachte, den Reporter mit wasserfester Sonnenmilch einzureiben, was in etwa der Aufgabe gleichkam, ein Nilpferd einzufetten. Pardee knurrte eine Schar Kinder an, die kichernd herumstanden und daraufhin schreiend davonrannten.
Pardee hörte, wie die mächtigen Schiffsschrauben zum Stehen kamen, und der Maat löste eine Kette an der Reling. »Springen«, sagte er.
Pardee schaute hinab in das kristallklare Wasser fast fünfzehn Meter unter ihm. »Du hast doch wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank. Habt ihr keine Leiter?«
»Du nicht können runterklettern Leiter mit Flossen an.«
»Ich nehme die Flossen ab, bis ich im Wasser bin.«
»Nein. Riemen kaputt. Du müssen springen.«
Pardee schüttelte den Kopf, und die Fleischwülste auf seinen Schultern und seinem Rücken schwabbelten im gleichen Rhythmus. »Auf keinen Fall.«
Plötzlich kamen die Kinder, die Pardee zuvor erschreckt hatte, um die Brücke herumgerannt wie eine Horde quiekender Ferkel. Zwei der Jungs brachen aus der Formation aus und schossen auf den Reporter zu, der sich just in dem Augenblick umdrehte, als er spürte, wie vier kleine braune Hände gegen seinen Rücken stießen.
Pardee sah den Himmel, dann das Wasser, dann wieder den Himmel und die Insel Alualu, die flach auf dem Ozean lag wie ein mieses grünes Toupet, bis der Aufprall auf dem Wasser ihm schließlich den Atem raubte, ihm die Maske vom Gesicht riß und das Salzwasser in seine Nebenhöhlen drang und seine Nase zu bluten anfing.
Bevor er überhaupt wußte, wo die Wasseroberfläche sich befand, hörte er schon die Schiffsschrauben der Micro Spirit knirschen, die mit Volldampf ihre Fahrt wieder aufnahm.
Malink wurde von zwei aufgeregten Jungen wach gerüttelt. »Das Schiff ist da, und der Medizinmann ist auf dem Weg hierher!« Der alte Häuptling richtete sich
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