Himmelsgöttin
in der japanischen Finanzwelt, und diese bestehen nun einmal darauf, daß wir ein kleines Kontingent an Sicherheitskräften hier auf der Insel haben, wenn wir an den Fördergeldern weiter interessiert sind.«
»Fördergelder für was, Doc?«
»Forschung.«
Tuck lachte. »Klar, das hier ist ja auch die absolut passende Umgebung für Forschung. Wieso sollte man sich mit irgendwelchen sterilen High-Tech-Labors in Tokio rumschlagen, wenn man seine Forschung und Entwicklung auch hier, irgendwo am Arsch des Pazifiks, betreiben kann. Jetzt aber mal im Ernst: Was geht hier wirklich ab?«
Der Doktor deutete auf den Scheck, den Tucker in der Hand hielt. »Wenn ich es Ihnen sage, Mr. Case, dann ist das hier der letzte Scheck, den Sie jemals sehen werden. Sie können sich entscheiden. Wenn Sie hier arbeiten wollen, müssen Sie sich damit abfinden, daß Verschiedenes im dunkeln bleibt. Da gibt es keine Kompromisse. Es dreht sich um Forschung, und die ist geheim, und die Leute, die dafür bezahlen, möchten, daß es so bleibt, ansonsten hätten sie nicht die Wachen engagiert oder mich in die Lage versetzt, Ihnen ein derartiges Gehalt zu zahlen.« Er strich sich seine grauen Haare zurück und schaute Tucker starr in die Augen – in seinem Blick lag nichts Drohendes und keinerlei Herausforderung, es war der Blick eines Arztes, der um das Wohlergehen seines Patienten besorgt ist. »Wollen Sie immer noch wissen, was wir hier tun?«
Tuck betrachtete den Scheck, warf einen Blick auf den Doktor und betrachtete erneut den Scheck. Wenn er gedeckt war, war dies die größte Geldsumme, die er je in seinem Leben besessen hatte. Er sagte: »Ich will nur, daß mir die Wachen ein bißchen von der Pelle rücken, damit ich auch mal Luft holen kann.«
Der Doktor lächelte. »Das läßt sich, glaube ich, machen. Aber Sie müssen mir Ihr Wort geben, daß Sie nicht versuchen werden, das Gelände zu verlassen.«
»Wohin sollte ich denn gehen? Ich habe diese Insel aus der Luft gesehen, wissen Sie noch? Ich glaube nicht, daß ich viel versäume.«
»Es geht mir nur um Ihre eigene Sicherheit.«
»Natürlich«, sagte Tucker und gab sich alle Mühe, möglichst ehrlich zu klingen. »Aber ich brauche einen Fernseher. Das Rumsitzen in meinem Zimmer macht mich ganz krank im Hirn. Wenn ich noch einen einzigen Spionageroman lese, kriege ich eine Lizenz für 'ne Doppel-Null. Ihr habt doch 'nen Fernseher, und ich weiß, daß ihr auch 'ne Satelliten-Schüssel habt. Ich will 'nen Fernseher.«
Wieder lächelte der Doktor. »Sie können unseren haben. Ich bin sicher, Beth wird nichts dagegen haben.«
»Du hast ihm was gegeben?« Die Hohepriesterin schaute von ihrer Ausgabe des Us -Magazins auf. Sie war in einen weißen Seidenkimono gehüllt, dessen Gürtel nicht zugebunden war und der nun in Kaskaden an ihr hinabglitt, bis der Stuhl, auf dem sie saß, aussah, als ragte er aus einem schillernden Teich heraus. Ihr Haar hatte sie mit Eßstäbchen aus Ebenholz hochgesteckt, die mit Drachen aus Elfenbein verziert waren.
Der Medizinmann stand in der Tür zu ihrem Gemach. Eben noch war er ziemlich stolz auf sich gewesen, bis ihn der Ton in ihrer Stimme getroffen hatte wie ein Eispickel in den Nacken.
»Deinen Fernseher, aber es ist nur vorübergehend. Ich sorge dafür, daß gleich beim nächsten Flug ein neuer Fernseher auf dem Flugplatz bereitgestellt wird.«
»Und wann ist das?«
»Sobald ich eine neue Bestellung in Arbeit habe. Ich verspreche es dir, Beth.«
»Und das heißt, daß ich zu allem Überfluß auch noch eine Vorstellung geben muß ohne meine Serien. Sebastian, ich brauche diese Serien, um mein Gefühlsgedächtnis zu trainieren Wie kannst du von mir erwarten, daß ich eine Göttin spiele, wenn ich mein emotionales Moment nicht finde?«
»Vielleicht schaffst du es ja dieses eine Mal mit Emotionen, die nicht per Satellit eingespeist werden.«
Sie ließ ihre Zeitschrift fallen, biß sich auf die Lippen und wandte ihren Blick in eine Ecke des Zimmers, als ob sie ernsthaft darüber nachdächte. »In Ordnung. Gib ihm den Fernseher.«
»Ich habe ihm außerdem noch zehntausend Dollar gegeben.«
Ihre Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen. »Und was kriegt er, wenn er sich das nächste Mal aufplustert – eine Nacht mit der Himmelsgöttin?«
»Wenn ich ihn so weit runterhandeln kann«, sagte der Medizinmann. Dann wandte er sich um und ging, still vor sich hin lächelnd, aus dem Zimmer.
38
Sitten der Eingeborenen
Tucker Case
Weitere Kostenlose Bücher