Himmelsjäger: Roman (German Edition)
werden mit jedem verstreichenden Moment schwächer. Wir müssen möglichst schnell einen Bereich mit höherer Schwerkraft aufsuchen.«
In Bezug auf das Grundlegende – Schlaf und Essen – stand es mit Cliffs Gruppe nicht zum Besten. Sie durchquerten ein weites Grasland, in dem nur hier und dort einige Baumgruppen Schatten spendeten, und anschließend fanden sie fast einen ganzen Erdtag lang kein jagdbares Wild. Einige Beeren halfen, und sie entdeckten auch frisches Wasser: einen klaren, plätschernden Bach, leider ohne Fische.
Irma ging stromaufwärts, um dort Wache zu halten, während die Männer dankbar ein Bad im kühlen Wasser nahmen. Seit Tagen litten sie alle mehr oder weniger stark an Durchfall, und es war eine große Erleichterung, endlich allen Schmutz abwaschen zu können. Während der ersten Tage hatten sie ihrem Trinkwasser Chloridtabletten hinzufügen können. Inzwischen verwendeten sie die solarbetriebenen UV-Zellen in den Verschlüssen der Flaschen, um das Wasser zu sterilisieren.
Ein breites, geripptes und mit Hörnern ausgestattetes Geschöpf kroch in eine Höhle am Ufer. Für Cliff sah es wie eine ovale Schildkröte mit spitzem Kamm aus. Die Erdhöhle stank, und deshalb ließen sie das Tier in Ruhe.
Howard lag entspannt in einer kleinen schlammigen Mulde und lächelte. »Ich hab nachgedacht. Vielleicht verdanken wir den Dünnpfiff Chiralität.«
»Chiralität?«, wiederholte Aybe. »Drehung?«
Aybe war Techniker; deshalb verstand er es auf diese Weise. »Die Rotationsrichtung von Molekülen. Wenn ein Molekül nicht mit seinem Spiegelbild identisch ist.« Howard sprach nicht viel und war leicht verletzt, was ihn noch schweigsamer machte. Deshalb hörte Cliff jetzt aufmerksam zu. »Die meisten Biochemiker halten es für einen historischen Zufall, dass unsere Zucker rechtsdrehend sind und unsere Aminosäuren linksdrehend. Ich vermute, einige der hiesigen Moleküle haben eine andere Drehrichtung als die uns vertraute.«
»Wie kommst du darauf?«, fragte Terry.
»Wisst ihr noch, wie begeistert wir vor zwei Schlafperioden von der großartig schmeckenden violetten Frucht waren?«
Aybe brummte bei der Erinnerung daran. »Und nach einer Stunde hatten wir wieder Hunger. Wie beim Klischee vom chinesischen Essen. Und dann bekamen wir alle Durchfall.«
»Deshalb habe ich dauernd Hunger?«, fragte Cliff und bedauerte plötzlich, dass sie nichts von der Chiralität-Ausrüstung an Bord der SunSeeker mitgebracht hatten. Aber in der Eros war einfach nicht genug Platz gewesen.
»Nicht nur du, wir alle«, sagte Howard. »Wir sind dauernd unterwegs und verbrennen Kalorien, aber einige der Dinge, die wir zu uns nehmen, gehen einfach durch uns hindurch, ohne unsere Kräfte zu erneuern. Ganz im Gegenteil: Manche machen uns krank.«
»Wir braten das Fleisch«, wandte Terry ein.
»Ja, aber der biochemische Kram, den uns die Evolution auf der Erde mitgegeben hat, kann nicht alle Mikroben neutralisieren, mit denen wir es hier zu tun bekommen. Montezumas Rache.«
»Die geht auf mikrobielle Pathogene zurück, was ein ganz anderes Problem ist«, sagte Cliff. »Ich habe die DNS untersucht. Die hiesige Ökologie verwendet die gleiche Doppelhelix-Struktur, die wir von der Erde kennen.«
»Mag sein, aber auf anderen Planeten könnten die Zufälle der Evolution Proteine und Zucker anders gestalten. Wenn diese Schale lange Zeit unterwegs war und von verschiedenen Welten Proben des Lebens aufnahm, so gibt es hier vielleicht ganze Ökologien, die auf L-Glucose anstatt der uns vertrauten D-Glucose basieren und auf D- anstatt von L-Aminosäuren.«
Aybe zuckte die Schultern. »Krank ist krank.«
Howard durchbohrte ihn mit einem Blick. »L-Glucose ist interessant, weil sie ebenso so süß ist wie D-Glucose, das gastrointestinale System aber vollkommen unmetabolisiert durchläuft. Wenn hier links- und rechtsdrehende Ökologien durcheinandergewürfelt sind, muss jede Lebensform in der Nahrungskette die eine oder andere isomere Biochemie wählen. Fruchtzucker, Fructose, verhält sich auf die gleiche Weise.«
Cliff erinnerte sich daran, dass Howard auf der Erde eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte wegen seines halb privaten Zoos in Sibirien, nachdem dort die Klimaerwärmung verrücktgespielt und große Mengen Methan freigesetzt hatte. Howard hätte die Erde nie verlassen, wenn sein Stück Land mit allen Tieren nicht einer Katastrophe zum Opfer gefallen wäre. Die Planer der Mission nahmen ihn auf, weil die SunSeeker mit
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