Himmelskraft
Gleich zu Anfang ließ sich das ganz günstig an. Der
Heidewirt nahm seiner Einladung folgend gern an seinem Tisch Platz, und bald waren die beiden in ein lebhaftes Gespräch über die Verhältnisse des Dorfes und seiner näheren Umgebung verwickelt.
Vieles wußte der Krugwirt; sogar über manche Einzelheiten des AE- Werkes, die Turner bisher noch nicht bekannt waren, vermochte er ihm Auskunft zu geben. Erst jetzt begriff der Agent vollkommen, warum Headstone im letzten Teil der Depesche noch einmal so scharf auf schleunigste Anlieferung der bewußten Seile gedrungen hatte. Die Kollektoren konnte man jetzt ja Gott sei Dank nach dem von ihm besorgten Muster in Afrika in beliebiger Zahl nachbauen, aber ohne die Seile konnte man das Fangnetz immer noch nicht in der günstigsten Höhe verankern.
Auch der andere Auftrag Headstones, soviel wie möglich über die etwas geheimnisvolle Person des alten Heideläufers zu erfahren, kam Turner dabei wieder in Erinnerung. Vorsichtig brachte er das Gespräch darauf und mußte die erste Enttäuschung des Abends in Kauf nehmen.
»De olle Kirl is verreist. Soll irgendwo was geerbt haben«, antwortete der Wirt ziemlich unbestimmt auf seine Frage. Turner krampfte die Finger unter dem Tisch zusammen. Das konnte ja seinen ganzen Plan über den Haufen werfen! Wenn der Alte vielleicht wochenlang fortblieb, würde es nicht möglich sein, nähere Bekanntschaft mit ihm zu machen.
Vorsichtig forschte er weiter, wohin er denn verreist wäre; aber da war der Krugwirt unsicher. Auch über die voraussichtliche Dauer der Abwesenheit des Alten konnte der Wirt nichts Bestimmtes sagen. Ob der Alte denn so ohne weiteres von Hause weg könnte, wünschte Turner weiter zu wissen. Da konnte der Wirt ihm nun wieder gut Bescheid sagen. »Aber gewiß, Herr Turner«, meinte er. »Viel hat der alte Einsiedler ja nicht zu versorgen. Nur seinen Garten und seine Bienen. Dafür hat er sich hier einen Mann im Dorf angenommen. Die Leute sagen, er sei nicht ganz richtig im Kopf, aber ich glaube das nicht. Ich glaube viel eher, daß der Jochen Dannewald schlauer ist, als er aussieht. Der muß jetzt in dem Häuschen des Alten schlafen und ihm den ganzen Kram besorgen.« Mr. Turner hatte das Gefühl, daß er im Augenblick nicht gut weiterfragen könnte, ohne die Sache auffällig zu machen. So beschloß er, für heute Feierabend zu machen. Noch ein kräftiges »Gute Nacht!«, und er stieg die knarrende Treppe zu seinem Zimmer empor.
Mr. Turner war mit der Welt unzufrieden, als er sich langsam zu entkleiden begann. -
In ganz anderer Laune waren zwei Leute, die wenige Kilometer von Mr. Turners derzeitigem Aufenthalt entfernt in einem Laboratoriumssaal zusammensaßen. »Hat der Kerl wirklich die Frechheit aufgebracht, hierherzukommen?« fragte Dr. Frank.
Johannes Zacharias nickte. »Vorschriftsmäßig ist er eingetroffen, genau so, wie wir’s erwarteten, und hat drüben bei Horn für einige Tage Quartier genommen. Auch ein Telegramm aus Südafrika hat er bereits erhalten. Ich will morgen versuchen herauszubekommen, was drinsteht.« Dr. Frank schüttelte abweisend den Kopf. »Ich kann Sie nicht begreifen, mein lieber Zacharias, daß Sie diesen Menschen hier in nächster Nähe sein Unwesen treiben lassen. Ich bin überzeugt, daß der Bursche reichlich ausgekocht ist.«
Zacharias wand sich in seinem Sessel vor Vergnügen. »Selbstverständlich, Doktor Frank. Wir sind weit davon entfernt, Mister Headstone und seine Leute zu unterschätzen. Aber das Schöne an der ganzen Geschichte ist ja, daß wir Mr. Turner genau kennen und daß er selber keine Ahnung davon hat, wie genau wir ihn kennen und überwachen. Sie dürfen sicher sein, daß er keinen Schritt tun kann, ohne daß es uns gemeldet wird.«
»Sind Sie dessen so sicher, Herr Zacharias?« fragte immer noch mißtrauisch der Doktor. »Wenn der Mensch sich beispielsweise des Nachts heimlich aus dem Krug schleicht und sich hier in der Umgebung herumtreibt, was könnte er da nicht alles entdecken?«
Der Alte brach in lautes Gelächter aus. »Sie können ganz beruhigt sein. Keinen Schritt könnte Mister Turner des Nachts in dem alten Fachwerkbau tun, ohne daß Meister Horn davon wach würde und ihm auf die Sprünge käme.«
»Aber bei Tage, Herr Zacharias? Da stellt er seinen Wagen irgendwo in der Heide ab und schnüffelt nach Herzenslust herum. In Ihrem Hause wird er schließlich nicht allzuviel entdecken können. Aber stellen Sie sich einmal vor, daß er bei solcher
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