Himmelskrieg: Roman (German Edition)
Wesen unter eine Glasschüssel zu setzen. Wir haben nicht die geringste Ahnung, woraus dieses ganze Zeug hier überhaupt besteht und wie es sich auf Dauer verhält! Als wir hier ankamen, hat uns ja keiner eine Gebrauchsanleitung in die Hände gedrückt!« Er wandte sich an Nayar. »Vikram, Ihre Leute haben fantastische Arbeit geleistet, als sie die Geheimnisse des Tempels entschlüsselten. Ich denke, für uns alle wird es das Beste sein, wenn sie sich auch weiterhin dieser Aufgabe widmen. Mit dem Woggle-Käfer soll sich unsere Exospezialistin befassen.«
»Und wo ist unsere Exospezialistin?«, fragte Nayar mit betont ruhiger Stimme.
»Wir erwarten sie jeden Moment zurück.«
Nayar zeigte auf den Käfer. »Mr. Drake, haben Sie sich diese Kreatur einmal genau angesehen?«
Mr. Drake? »Ich sah, dass Camilla den Käfer in der Hand hielt …«, begann Harley und unterbrach sich. Nein, gründlich betrachtet hatte er ihn nicht. In seinen Augen hatte der Woggle-Käfer ausgesehen wie die Cartoon-Version eines Insekts, lauter knallbunte Farben und Ecken. »Na schön, ich werde ihn jetzt inspizieren.«
Nayar kniete sich hin und legte die Finger auf die Glas haube. »Je genauer man ihn betrachtet, umso seltsamer kommt er einem vor. Er scheint nicht organisch zu sein, jedenfalls ist das meine Einschätzung. Er ist beinahe … fraktal.« Er richtete sich wieder auf. »Und er ist größer.«
»Größer als was?«
»Größer als zu dem Zeitpunkt, als wir ihn unter die Schüssel setzten«, erklärte Jaidev.
»Woher wollen Sie das wissen? Haben Sie ein Lineal rep liziert und nachgemessen?« Allmählich verlor Harley die Geduld.
Jaidev zog einen Kugelschreiber aus seiner Hemdtasche und schickte sich an, Harley etwas zu demonstrieren, aber Nayar hielt ihn davon ab.
»Drei von uns haben es nachgeprüft, und alle drei gelangten zu demselben Schluss.«
»Okay, fein«, sagte Harley. »Der Käfer ist also seltsam und er wächst. Wo ist der Entomologe? Wir sollten ihn fragen.«
»Ich bin der Entomologe«, erklärte Nayar. »Bevor ich zur ISRO ging, war Entomologie mein Studienfach.«
Harley war kein Kartenspieler, aber er wusste, wann er ein schwaches Blatt hatte und lieber aussteigen sollte. »Ich entschuldige mich. Was sollten wir Ihrer Ansicht nach unternehmen, wenn wir den Käfer richtig isoliert und unter Beobachtung haben?«
»Ganz automatisch lassen wir ihn hungern«, erklärte Nayar. »Wir haben ja ohnehin keine Ahnung, wovon er sich ernährt.«
»Was ist, wenn dieses Wesen den Nahrungsentzug als feindseligen Akt auffasst?«
»Ja, sicher, so wie ich den Einsatz dieser Objekte als feindseligen Akt aufgefasst habe«, kommentierte Weldon trocken. Einer der indischen Ingenieure lachte, aber er verstummte abrupt, als Nayar ihm einen eisigen Blick zuwarf.
»Morgen beginnen wir damit, seiner Umgebung verschie dene Substanzen zuzufügen. Zum Beispiel Wasser, um zu sehen, wie er darauf reagiert.«
»Okay, mir soll’s recht sein«, sagte Harley. Er konnte sich nicht vorstellen, welcher Nutzen oder Schaden ihnen durch derlei Experimente entstehen konnten, er hielt sie für völlig sinnlos. Aber er wollte, dass Nayar und sein Team sich glücklich fühlten, und wenn es ihnen Spaß machte, mit einem exotischen Käfer irgendwelchen Hokuspokus anzustellen, wäre er der Letzte, der sie daran hindern würde.
»Danke«, sagte Nayar. Er gab Jaidev und den anderen ein Zeichen, und der ganze Trupp nahm Kurs auf die Rampe, die ins Obergeschoss führte.
Als Harley ihnen nachschaute, gewahrte er Camilla, die still in einer Ecke hockte und die ganze Diskussion offenbar beobachtet hatte.
Er bugsierte seinen Rollstuhl zu ihr. Die Kleine machte einen aufmerksamen Eindruck, trotzdem fand Harley, sie sähe ungewöhnlich blass, sogar kränklich aus. Unter ihren Augen lagen dunkle Schatten. Da er wusste, dass sie ihn nicht verstehen konnte, lächelte er nur und deutete auf ihren Arm. »Besser? Bueno? «
Anscheinend wusste sie, worauf er anspielte, denn sie nickte höflich. Sasha musste aus dem Wohnmobil oder sonstwoher ein Pflaster besorgt haben. Es verdeckte die Wunde.
Dann zeigte Harley auf den Käfer und die umgestülpte Schüssel. »Geh ruhig und sieh dir das an, wenn du möchtest.«
Zögernd begab sie sich zu dem behelfsmäßigen Terrarium. Sie drehte sich zu Harley um, als wolle sie sich seiner Erlaubnis vergewissern, dann setzte sie sich hin. Sie nahm eine Haltung ein, die in Harleys Welt nur ein Yogatrainer oder ein Kind mit
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