Himmelsmechanik (German Edition)
eines, wenigstens soweit man weiß, aber auf den Fotos sieht sie ihm sehr ähnlich: ein Katzengesicht, das aus einem Kolonialhelm hervorlugt und der kleine Eichhörnchenkörper in der Uniform der damaligen Forscher eingemummt. Es wird einem nicht klar, mit welcher Kraft er das finden konnte, was er suchte, wenn man nicht Malvina betrachtet, und umgekehrt. Alles, was er zu schreiben und aufzubewahren hatte, brachte Menotti stets in das Haus der Familie, das er verlängerte und verbreiterte, wobei er ungehemmt seinen mesopotamischen Schrullen folgte; diese seltsame Festung, die zur Villa wurde und von einer Villa zu einer als Villa verkleideten Alhambra, wäre ein großes Museum geworden und Roggio hätte Weltruhm erlangt, wenn nicht das passiert wäre, was passiert ist. Da er sehr penibel war, versäumte Menotti es nicht, sich in diesem Haus zu verheiraten und einen Sohn zu zeugen. Dieser Sohn hieß mit Namen Xerxes und ist Aristos Vater gewesen. Weder er noch seine Mutter hatten ein tolles Leben. Sie waren da in diesem launischen Haus, wo man, wenn Menotti nicht anwesend war, nicht einmal wusste, in welchen Raum man zum Pinkeln gehen sollte. Die Ehefrau wartete, dass Menotti von irgendwo aus dem Orient zurückkam, der Sohn brütete Fantasien aus, ohne dass er auch nur ein Hündchen gehabt hätte, dem er sie hätte erzählen können. So stürzte sich die Frau eines schönen Tages in den Festungsgraben und wurde nicht mehr gefunden, und der Sohn wurde von Verwandten aus Lyon beansprucht, bevor Menotti zurückkehrte und selbst entscheiden konnte.
Als er zurückkam, bereute er plötzlich, dass er die Dinge in seinem Haus den Weg hatte gehen lassen, den sie genommen hatten; er hörte auf, im Orient zu graben, verkroch sich in seine Alhambra in Roggio und begann, sich an sein Gesamtwerk zu machen. Einmal pro Woche ließ er sich etwas zu Essen machen, steckte es in seinen Forschersack und ging am frühen Morgen zu Fuß zur Klause von San Viano; er frühstückte vor dem Heiligen der Menschen von Vagli, dem Heiligen der verschwendeten Gelegenheiten, und kehrte wieder nach Hause zurück. Zweimal im Monat wurde er abgeholt und in die Stadt Siena gebracht, wo er an der Universität lehrte; scheinbar kamen zu seinen Vorlesungen Studenten aus allen Teilen Italiens. Das war alles, bis er starb. Bis dahin fragte er nie nach seinem Sohn Xerxes, doch seine Frau suchte er noch jahrelang, obwohl es allgemein bekannt war, dass man vom Festungsgraben, in den sie gesprungen war, zu der Jahreszeit, in der sie unterwegs gewesen war, in weniger als einer Woche im Fluss und vom Fluss im Meer landete.
Zu Menottis Tod kamen seine Testamentsvollstrecker aus Paris, die seine ganze Habe versiegelten. Die Alhambra wurde geschlossen und nie wieder geöffnet, bis ’44, als die Deutschen sie requirierten und ihr Hauptquartier hier aufschlugen. Sie war so groß und so komplex, dass dort auch Platz war, um ihr Gefängnis einzurichten, mit Folterkammern und allem anderen. Damals nannte man es Die Schreie. Von Xerxes hörte man nie wieder etwas, außer dass er ein schüchterner, trübsinniger Junge war, der sich die wenigen Male, die ihn seine Mutter aus dem Haus brachte, an die Hunde hängte und losbrüllte, um bei ihnen bleiben zu dürfen. Er kehrte nie von dort zurück, wo er in Frankreich war, aber irgendwann kam sein Sohn, Aristo.
Er kam gleich nach dem Krieg; er kam mit seiner Frau auf einem Motorrad. Es waren zwei schöne junge Leute, er sprach nur mühsam Italienisch, geschweige denn die Sprache des Reviers. Die Duse erzählte mir, als sie sich im Dorf vorstellten, schien es, als wären zwei Filmschauspieler gekommen, da sie nicht nur schön, sondern auch elegant und höflich waren. Er war gekommen, um sich seinen Besitz wiederzuholen, doch als sie ihm sagten, das Haus von Roggio müsse umgebaut werden, weil es zu dem gedient hatte, wozu es gedient hatte, wollte er es sich nicht einmal anschauen gehen. Es wurde von den Polizisten gesäubert und versiegelt, und jetzt ist es eine Ruine mit Türen und Fenstern, die noch mit den Brettern aus der Nachkriegszeit zugenagelt sind; früher oder später kommt die Anordnung, sie im Namen der öffentlichen Sicherheit abzureißen, und es wird für alle eine Erleichterung sein; es wäre vielleicht die zweite Gelegenheit gewesen, daraus ein Museum zu machen, aber es ist so in Ordnung. Mit seiner französischen Frau zog er in ein schönes Haus, das seine Familie in den Hügeln hinter dem Ponte hatte, dort, wo
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