Himmelsmechanik (German Edition)
hinausgeworfen. Auf dem Umschlag steht Malvas Name und ein Titel, der viel zu lang ist, als dass ihr Vater begreifen könnte, was er bedeutet, oder ihn auch nur auswendig lernen könnte. Wir alle haben dieses Buch gesehen, und es wurde mit Leidenschaft darüber geplaudert, denn Ulisse ist mit ihm durch das ganze Revier gefahren, bis Malvina es sich wieder genommen hat und es verschwinden ließ. Tatsächlich lauten die beiden Wörter mit den größten Buchstaben:
Celestial Mechanics
. Himmelsmechanik also.
Tatsache ist, dass dieses zum Stummsein berufene, ungefähr ein Meter fünfzig große Mädchen eine Professorin der Astrophysik ist. Die aber von ihrer Wissenschaft dazu gebracht wurde, die Geheimnisse der universalen Gravitation zu erkunden, und die Eventualität, dass sie auch einen kleinen Teil des größten Geheimnisses des Gleichgewichts gelöst haben könnte, das uns über allen Regierungen regiert, hat niemanden beunruhigt. Und nicht aus Unwissen oder Engherzigkeit, sondern weil es uns hinlänglich klar erscheint, dass Malvina größer ist als wir, und natürlich muss sie es da sein, wo wir es nicht sehen können. Allein wenn wir ihr Buch lesen und verstehen könnten, würden wir an ihrer Größe teilhaben, aber auch das ist nicht so wichtig. Wenige von uns schaffen es, bis dahin zu kommen, wo die Betrachtung der Urstrahlung beginnt, und auch unter denen, darauf kann man schwören, ist niemand wirklich geneigt, mit dem unfühlbaren Fossil zu spielen, von dem Malvina selbst nur die reine numerische Abstraktion genießen kann. Wenn man sieht, wie sie durch die Straßen des Dorfs trippelt oder mit ihrem Rad die Kurven von Brica herunterrast, wenn man ahnt, wie sie durch das Unterholz der Wälder rauscht, und man sie beobachtet, während sie einen kleinen Mädchenknicks macht, bevor sie das Haus ihres Großvaters betritt, dann kennen wir sie und sind zufrieden mit ihrer Größe.
Sie ist also aus dem Ausland zurückgekommen und hat keine drei Monate verstreichen lassen, bis sie anfing, als Selekteurin in einer Blumenzucht oben bei Metello zu arbeiten. Da gibt es nicht viel zu diskutieren, wenn jemand diese Arbeit macht, und es heißt, sie ist gut; es heißt, das Unternehmen ist vorangekommen, seitdem sie da ist, und ihr verdanken sie eine neue Freesie von einer Schönheit, die für die alten Freesien fast peinlich ist. Gäbe es mehr Bräute, heißt es, gäbe es noch welche, die sich gern am Duft eines Freesienstraußes berauschten, könnten sie Milliardäre sein.
Im Sommer wie im Winter fährt sie mit dem Fahrrad zur Arbeit, und nur wenige sehen sie morgens vorbeifahren, denn sie braucht fast zwei Stunden von zu Hause und fährt schon kurz nach fünf los. Sie hat ein Fahrrad, so groß wie das eines Jungen, das sie sich aus dem Ausland mitgebracht hat; es heißt, es sei aus dem Abbaumaterial eines Raumschiffs gebaut und ein Vermögen wert. Wenn man seine Konstruktion sieht, die selbst für die Kranken vom Klub Jacques Antequil ungewöhnlich ist, scheint das wirklich zu stimmen; aber auf jeden Fall ist es ein Fahrrad, das noch mit Pedalen funktioniert, und man kann sich kaum vorstellen, wie viel Kastanienpolenta Malvina zum Frühstück verputzen muss, um die Kraft für diesen Weg zu haben. Auch nicht, wo sie sie hintut, diese ganze Polenta.
Wenn sie sich nach der Arbeit nicht mit Nazzareno trifft, geht sie, wenn es Nacht wird, in das Haus ihres Großvaters und wohnt bei ihm. Sie hat es gewollt, dass die Dinge so laufen. Ulisse hätte sie lieber bei sich im Haus gehabt, »und wenn sie wirklich nicht bei mir bleiben will und sie nicht mehr mit dieser Nervensäge von ihrer Mutter herumstreiten will«, hatte er sich abgerackert, um ihr im Nachbarhaus eine kleine Wohnung herzurichten. Doch Malvina hat sich für Aristo und sein Haus entschieden, und es scheint, dass sich alle drei perfekt verstehen. Es ist nicht schön, wenn die jungen Leute zu viel Zeit mit den Alten verbringen, besonders wenn sie noch zu wachsen haben, und man wünscht sich, dass Malvina wenigstens noch ein bisschen zu wachsen hat, doch die drei sind etwas Verschiedenes und Einziges: sie, Aristo, das Haus. Aristo ist ein so zarter alter Mann, dass auch er ein bisschen wie ein Kind aussieht. Ich kenne ihn, seit ich Kind war, und er ist schon immer so gewesen. Deshalb mochte die Duse ihn und auch wegen seiner eleganten Umgangsformen, und sie freute sich, wenn ich zu ihm in die Werkstatt ging.
Aristo ist ein Adliger, und sein Name kommt nicht von
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