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Himmelsmechanik (German Edition)

Himmelsmechanik (German Edition)

Titel: Himmelsmechanik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Maggiani
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ich sie dann auch kennengelernt habe. Sie waren so schön und so fremd, dass ich mich wunderte, dass sie mich auf der Straße grüßten, ob sie nun allein oder der eine bei der anderen untergehakt waren.
    Was sie hauptsächlich taten, war, das Motorrad zu nehmen und wegzufahren. Sie zogen sich Lederoveralls an, drückten sich einen Helm auf ihre Locken und machten sich aus dem Staub. Sie blieben manchmal auch mehrere Wochen weg; damals hatte Aristo ein riesiges Motorrad, sicherlich eines vom Krieg, und sie konnten sogar zwei Koffer daraufschnallen. Sie fuhren los und kamen zurück, und jedes Mal, wenn sie zurückkamen, kamen sie uns kleinen Jungs noch großartiger und fremder vor. Irgendwann hörten sie zu reisen auf, und Aristo eröffnete am Ponte eine Art Werkstatt. Er stellte sein Motorrad hinein und dann ein anderes und noch ein anderes und begann, an ihnen herumzuwerkeln; bis von außerhalb nie gesehene Motorräder kamen, die von Motorradrennfahrern gebracht oder in den Laderaum von Lastwagen geladen wurden.
    Es waren Rennmotorräder, die gerade ein Rennen gewonnen hatten oder es in Kürze gewinnen sollten. Und er hantierte zwanzig Stunden am Tag, und oft ging auch seine französische Frau mit ihm in die Werkstatt. Es war das erste Mal, dass man im Revier eine Frau in einer Werkstatt an Motoren arbeiten sah; die Sache verblüffte, denn diese Frau blieb dennoch stets elegant und höflich, und alles, was sie sagte, sagte sie mit einem Zauber, und sie hatte aus Frankreich sogar eine Forsythie mitgebracht, die in ihrem Garten blühte, wenn ringsum nur Schnee und schwarze Zweige waren. Sie arbeitete weiter in der Werkstatt, auch als sie mit ihrem Sohn schwanger war, und man sah die beiden morgens umschlungen zur Werkstatt gehen, als wären sie noch zwei Verliebte, und abends, mit den vom Öl schwarzen Overalls, die Hände verbunden und vor Benzin glänzend, wieder nach Hause. Als die Schwangerschaft voranschritt, ließ sie sich eigens dafür einen Overall nähen, und die Sache verursachte großes Aufsehen im Tal, denn auch das war etwas, was man noch nie gesehen hatte.
    Es war das Jahr 1954, und die Duse ging noch zur Schule der Capria hinauf, ich war schon in der vierten Klasse, und ein Motorrad, mit dem Aristo gehandelt hatte, wurde Zweiter bei der Weltmeisterschaft in der Klasse der 500er. Es war eine Guzzi mit acht Zylindern, lang wie ein Zug und ebenso schwer, doch wenn man sie fahren konnte, ließ sie alle anderen Motorräder eine Runde hinter sich; es gab nur einen Rennfahrer, der sie fahren konnte, ohne vor Ende des Rennens auf der Piste zerquetscht zu werden; dieser Rennfahrer war Italiener und hieß Biasotti, er wohnte in Mailand. Ich habe ihn kennengelernt, denn er kam zu Aristos Werkstatt und hielt an, um uns Jungs zu begrüßen, die wir draußen auf der Straße darauf warteten, dass er den Motor anwarf. Das war ein Mordslärm.
    An dem Tag, an dem Biasotti in einem Lancia Coupé mit einer Flasche Champagner kam, um mit Aristo zu feiern, gebar seine Frau in dem Krankenhaus von Lucca ihren Sohn Ulisse, sodass sie alle zusammen ins Krankenhaus fuhren, um der Wöchnerin etwas zu Trinken zu bringen. Und auch das erregte Aufsehen, denn Aristo verlieh seine Motorräder an alle, die in einem Korso nach Lucca fahren wollten und keines hatten, und zur Flasche Champagner gab er auch noch mehrere Korbflaschen hinzu, die er an die Lenker band.
    An jenem Tag war ich dort und sah sie abfahren, Männer und Frauen umschlungen auf den schönsten Motorrädern des Reviers, die Motoren im Leerlauf, und sie fuchtelten herum wie Hexenmeister und stürzten sich dann im Rauch und Staub auf die Straße; und auch das war ein Mordslärm. Ulisse ist in der Werkstatt aufgewachsen, und für uns war er der Junge, der bei der Geburt das meiste Glück gehabt hatte. Wegen der Motorräder, an denen er herumwerkeln sehen konnte, so lange er wollte, wegen der Mutter, die immer zauberhaft in ihren Worten und ihren Bewegungen war, wegen Aristo, der sich eine Aprilia gekauft hatte und seine Frau und seinen Sohn darauf verfrachtete, und sie fuhren für ein, zwei Wochen los, um die Welt zu sehen.
    Es hatte zwar keine Weltmeisterschaften mit Champagner und allem anderen mehr gegeben, aber die Rennfahrer hörten nicht auf, zur Werkstatt zu pilgern; sie kamen weiterhin aus ganz Italien und sahen so aus, als hätten sie dringend ein Wunder nötig. Und die aus dem Revier schämten sich wegen ihrer kümmerlichen Motorräder und hatten eine große Scheu

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