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Himmelsmechanik (German Edition)

Himmelsmechanik (German Edition)

Titel: Himmelsmechanik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Maggiani
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vor Aristo, obwohl er stets sagte: Siehst du nicht, dass es eingestellt werden muss, hörst du nicht, dass der Motor klopft, komm, ich guck es mir an und für einen Blumenstrauß für die Französin kannst du es wie neu wieder mit nach Hause nehmen. Auch Aristo nannte seine Frau, wenn er von ihr sprach, immer »die Französin«. Dann ist die Französin gestorben, und alles hörte auf, Rennen, Werkstatt, Weltreisen. Sie ist innerhalb eines Monats von uns gegangen; eines Tages hat man sie nicht mehr gesehen und nach ein paar Wochen war sie tot. Niemand hat je erfahren, warum, Aristo hat nie mit jemandem darüber reden wollen. Es heißt, es sei wegen der Benzindämpfe, wegen der giftigen Öle gewesen; die Santarellina sagt, die Franzosen sind wie die Engländer: Hier bei uns schlagen sie schlecht Wurzeln und gehen schnell ein. Denn sie haben eine zu zarte Haut und die inneren Organe verzehren sich, weil sie unser Essen nicht vertragen. Sie sagt, dasselbe wäre ihr auch in Newcastle passiert, wenn sie es nicht rechtzeitig bemerkt hätte. Sie wäre gestorben wie die Französin, bevor sie fünfzig Jahre alt geworden wäre, weil das Öl, das sie briet, dasselbe war wie das für die Motorräder, und die Kartoffeln und die Fische übten die gleiche tödliche Wirkung aus wie die Kastanienpolenta auf die Französin.
    Und doch hatten die Forsythien von Aristos Frau Wurzeln geschlagen, und in seinem Garten blühen sie noch Ende Februar, wenn noch nicht einmal ein Krokus gewagt hat, aus dem Schnee herauszukommen. Auch nicht in jenen Jahren, als in diesem Haus Ulisse mit seiner Ehefrau lebte, einer Frau, die nicht einmal fähig wäre, eine wilde Kamille zum Blühen zu bringen, geschweige denn eine Sauerkirsche. Nein, Ulisse hatte kein großes Glück: In seinem Leben war seine Mutter, die Französin, die einzige Frau, die es sich lohnte kennenzulernen und die einzige, mit der er glücklich gesehen wurde. Diese Ehefrau hat ihn dann allein losgeschickt, seine Tochter zu taufen, nur weil sie nicht wollte, dass sie Malva genannt würde, der Name seiner Ururgroßmutter, der Frau von Ariodante, der Murat in seinem Haus beherbergt hatte. Dafür, dass er der letzte Mann der Familie der Borgioni ist, gibt Ulisse kein gutes Bild ab, und er sieht aus, als wäre er die Vollendung des Verfalls der Familie; doch er ist ein guter, freundlicher Mann, der nur laut wird, wenn er zur Genossenschaft kommt und die Vernichtung der alten Weinstöcke und die Ankunft einer neuen Welt predigt, in der das Volk des Reviers Weinreben von außerordentlichem Zauber trinken wird. Diejenigen, die er erntet und veredelt, seitdem er von seinem Studium zurückgekehrt ist. Tatsächlich hat er seinen Weinberg, der einen sehr seltenen Rotwein gibt, den ich getrunken habe und den ich für den gängigen Geschmack etwas zu fein und zu edel fand. Er schickt ihn in nummerierten Kartons wer weiß wohin und nennt ihn La Malvasola. Und so gesehen scheint es zum Hohn seiner Frau und zu Ehren seiner Tochter zu sein; doch die Malvasola ist auch der Name, den wir der Malve geben, wenn sie bei uns am Straßenrand wächst und zusammen mit den Krokussen schon früh blüht, sofort nach den Forsythien seiner Mutter. Bei aller Liebe für und allem Stolz auf seine Tochter, wenn man sie zusammen sieht, hat man den Eindruck, er habe Angst vor ihr: wie er sie betrachtet, wie er sich immer etwas hinter ihr hält. Und obwohl er etwas von der massigen Seite der Familie hat, vermittelt er den hässlichen Eindruck, kleiner als sie zu sein, wie ein um wenige Jahre jüngerer Bruder. Von Malvina, die so groß ist, wie sie eben ist.
    Doch dies kommt sicherlich daher, dass ein Gutteil von Ulisses Seele mit seiner Mutter erloschen ist. So wie auch sein Vater erloschen ist. Der, nachdem seine Frau gestorben war, als Erstes die Werkstatt schloss und sich daran machte, den Sohn großzuziehen; er schickte ihn zum Studieren nach Frankreich, ließ ihn wieder zurückkommen und fragte ihn, was er von seinem Besitz haben wolle. Ulisse nahm den Weinberg und das Haus, in dem er aufgewachsen war, und sah, dass das eine große Erleichterung für seinen Vater war. Denn sonst wäre das Haus in seinen Gedanken verfallen wie das von Roggio, als ob darin unnennbare Verbrechen begangen worden wären. Er nahm sich das Haus von Careggine, das Haus, in dem jetzt die Enkelin Malvina mit ihm wohnt, und wo Nita und ich an Weihnachten hingehen. Er hat noch ein paar Werkzeuge aus der Werkstatt aufbewahrt und sonst nichts. Der

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