Himmelsmechanik (German Edition)
des Feindseligen, der ihn voll in den Magen traf, woraufhin ihm sogar übel wurde. Und das alles ist wahr und dokumentiert.
Dann kam Aristo, und das Haus machte keine Geschichten. Er betrat es, ohne Pfarrer und Notare zu holen, renovierte es allein, als wäre es schon immer sein Zeitvertreib gewesen, hundert Jahre alte, feindselige Häuser herzurichten; und im Schuppen machte er eine neue Werkstatt auf; die nicht mehr die von damals war, sondern ein kleiner Raum mit wenigen Gerätschaften, in dem er ein paar von seinen Motorrädern hat und wo jetzt, da man in der Gegend keine Weltmeister mehr sieht, die hiesigen Jugendlichen hingehen, um sich ihre Motorroller reparieren zu lassen. Und dann kam Malvina, und das Haus hat auch sie angenommen. Gott weiß, was Ulisse alles gesagt und getan hat, um sie bei sich und fern von diesem Haus zu halten; aber sie ist dort, und jeden Abend stellt sie ihr Weltraumfahrrad in den Schuppen, verneigt sich vor der Haustür aus Eichenholz, die nach so vielen Jahren die Farbe des Sandsteins hat, öffnet den Türflügel, an dem Aristo immer den Schlüssel im Schloss stecken lässt, und geht das Abendessen zubereiten. Sie denkt dabei an das unbekannte Gesetz, das alle Gesetze regelt, während Aristo noch im Schuppen ist und mit seinen Dingen herumhantiert, und so glaubt sie vielleicht, das ferne, aber beständige Klappern der
Celestial Mechanics
zu hören.
Und Nita und ich betreten dieses Haus am Heiligabend, und das Haus, das so lange Zeit feindselig gewesen ist, nimmt auch uns. Ich habe Aristo gern, und er hat auch mich gern, aber die Einladung zu den
ossetti
ist keine Sache zwischen uns, sondern zwischen den beiden Frauen. Die
ossetti
sind immer eine Sache der Frauen. Die Tradition will, dass die
ossetti
alles sind, was den Frauen vom Schwein zusteht. Die Männer können alles andere: es züchten, abstechen, schlachten, zu Wurst verarbeiten, verkaufen und kaufen; aber sie können keine Rechte auf die
ossetti
beanspruchen. Die das sind, was sie sind: das Kümmerliche, das Unterste vom Untersten, das, was bleibt, wenn nichts mehr da ist. Wenn nichts mehr da ist.
Hier im Revier hat jede Familie einen
mastio
, und den
mastio
hat sie sich mit dem Stumpf eines Kastanienbaums aus ihrem Wald gemacht; eines schönen Kastanienbaums, der manchmal mindestens acht Arm breit war, sodass sie, wenn sie den Stamm aushöhlten, daraus einen Trog, groß wie ein Tisch, machen konnten. Dieser Trog wird am geschütztesten Platz im Keller aufbewahrt, er steht dort Generation um Generation, und je älter er wird, desto besser ist er. Im Trog konserviert die Familie das geschlachtete Schwein und lässt es reifen; Schicht auf Schicht den Speck, das Bauchfleisch, die Blutwurst, das Nackenfleisch, die Salami, den Schinken. Und ganz unten unter diesen Reichtum, auf das Bett des Trogs, legt die Familie die weniger gebräuchlichen Knochen, die der Gelenke, an denen nach dem Entbeinen etwas Knorpel, ein bisschen Fett zurückgeblieben ist. Die
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liegen dort ein Jahr lang verborgen unter dem, was im Lauf der Monate heranreift und gegessen werden kann. Von der Familie, wenn sie kann, von denen, die es kaufen, wenn die Familie nichts anderes zu verkaufen hat als ihr Schwein. Unsere Väter hatten einen großen Widerwillen, sich von Nackenfleisch und Schinken zu ernähren, was sie für eine unverdiente und ungesunde Opulenz hielten, unpassend und verachtenswert in den Augen Gottes; sie hielten sich etwas Fett, ein paar Press- und Blutwürste für die wahrscheinlichen Feiern einer Taufe oder einer Verlobung, und die Hälfte des Blutes, das im Stehen noch lauwarm gegessen wird, im frisch geschlachteten Fett gebraten, damit die Familie sich mit dem vollzogenen Opfer stärkt und kräftigt. Und ganz unten hatten sie natürlich die in Salz eingelegten
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und ausgeschwitztes Fett, welches das ganze Jahr über getropft ist, in Pfeffer und guten Kräutern mariniert. Die
ossetti
für den kommenden Winter, wenn nichts mehr übrig ist, außer ein weiteres Schwein zum Schlachten, wenn Gott gewollt hat. So wie es auch heute noch ist, auch wenn wir weniger schlicht und eher zur lasziven Benebelung der Sinne geneigt sind; und wir sind auch reicher, weswegen wir vor den
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auch alles andere gegessen haben.
Wie dem auch sei, irgendwann muss Heiligabend kommen, und Heiligabend ist bar von allem, bis auf den Knochen abgezehrt, von jedem Zuviel befreit. So soll es sein, wenn wir uns wirklich etwas wünschen; so ist es immer,
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