Himmelsmechanik (German Edition)

zurücklegen würde, da er die einzige Reise, die der Kontinent ihm angeboten hat, in einem Viehwaggon unternehmen musste. Sie denkt, sie kann die schlechte Meinung korrigieren, die Bresci sich von Europa gemacht hat, so wie er es gesehen hat. Und sie denkt, dass sie angesichts ihrer Freigebigkeit wenigstens einen Teil der Schuld übernehmen kann. Und sie denkt, dass die Tatsache gottgewollt ist, dass Bresci jetzt seine Reise an Bord eines Autos unternehmen kann, das in einer Stadt hergestellt wurde, die nur einen Sprung von der eisigen Kälte Sachsenhausens entfernt ist, eine Fabrik, die durch den Willen des größten Verantwortlichen für die schlechte Meinung, die Bresci von Europa hatte, entstand; nach den Absichten dieses Mannes sollte sein Volk mit diesen Autos über den ganzen Kontinent kutschieren, kaum dass er damit fertig wäre, Sachsenhausen mit allen anderen Völkern zu füllen. Sie denkt, es ist ein schönes Bild, das man allen Schuldnern Brescis zeigen müsste, vor allem denjenigen, die keine Absicht haben zu zahlen. Schließlich denkt sie, dass das Foto Oscar Wildes, das der Omo Nudo ihr versprochen hat, mehr wert ist als ihr Karmann. Ihr wurde dieses berühmte Porträt gezeigt.
    Es geschah während der Inspektion, die sie in seiner Garderobe vornahm; den Omo Nudo passend für eine Reise ins Herz Europas einzukleiden, ist die schwierigste Verantwortung, die sie sich aufgebürdet hat. Also, der Omo Nudo hat ein Paar Koffer mit Kleidern, die er im Schrank aufbewahrt, der schon seiner Mutter Melina gehörte. In besagten Koffern ist, laut Nitas Aussage, Herrenbekleidung verschiedenster Form und Beschaffenheit aufbewahrt, alles gut verwahrt, mit Naphtalin besprengt und mit Seidenpapierblättern voneinander getrennt. Es sind Kleider seines Vaters Otello, seines Großvaters Amanteo und vom Omo Nudo selbst. Letztere gehen auf die Zeit zurück, da er noch der junge Bresci war, bevor er in die eisige Kälte Sachsenhausens geschickt wurde. Angesichts der seit damals bestehenden Veränderungen im Körperbau kann der Omo Nudo wählen, ob er in den Kleidern seines Vaters oder seines Großvaters reisen will, aber nicht in seinen eigenen, da es ausgeschlossen war, dass er sich der Belanglosigkeit, neue zu kaufen, beugen würde. Er wird mit dem Äußeren von Amanteo reisen, denn auf die Probe gestellt, hielt er dessen Kleider für passender und eleganter.
    Aus Amanteos Koffer grub der Omo Nudo das Foto aus und zeigte es Nita, damit zwischen ihnen kein Missverständnis über die Existenz und den Umfang der Entschädigung bestand. Es ist nicht das übliche Foto, jedenfalls nicht das, welches auf Buchklappen und in Enzyklopädien am meisten verbreitet ist. Auf diesem Foto sitzt der Schriftsteller an einem Cafétisch im Freien, und unscharf im Hintergrund sind Menschen, die auf einer Allee spazieren gehen. Laut Nita ist das eine italienische Landschaft, vielleicht Neapel, und Oscar Wilde hat endlich einmal nicht jenes wächserne Gesicht und jenen einschmeichelnden und würdevollen Blick, mit dem er sich gerne zeigte. Auf diesem Foto ist seine Pose nicht gemessen, wie sie sein sollte, sondern er blickt entsetzt und müde zum Fotografen, als würde die Sache zu lange dauern. Am Rande des Kartons steht seine Widmung auf Englisch:
Ich hinterlasse die Wahrheit meinem weisen, lieben Genossen Amanteo
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    Nita übersetzte die Widmung für den Omo Nudo und bat ihn, es gut zu bedenken, ob er sie ihr überlassen wolle: Sein Großvater war der Empfänger dieses so persönlichen und bedeutenden Gedankens gewesen, sodass er ihrer Meinung nach dort bleiben sollte, wohin er gerichtet gewesen war. Bresci steckte ihr das Foto in die Hände und sagte ihr, sie könne es auch jetzt schon mitnehmen, denn in seinem Alter mache ihn die Wahrheit weder heiß noch kalt. Und gäbe es noch eine Wahrheit, die man jemanden hinterlassen könnte, dann solle diese ihrem Mädchen gehören. Und da er befürchtete, noch eine Weile zu brauchen, bis er starb, würde er ihr nach ihrer Rückkehr auch die Bücher der verborgenen Wahrheiten schenken, die Amanteo seinen Erben hinterlassen hatte, und die er zu anderen Zeiten wiederum jemandem zu hinterlassen gedachte. Wenn es wirklich noch Wahrheit gibt, dann ist es besser, sie loszuwerden, sagte er, besser sie zu erfahren, bevor ihr Mädchen Gefahr lief, ohne sie aufzuwachsen.
    Der Omo Nudo hat sich in dieser letzten Zeit sehr verändert, vielleicht ist er einiger Dinge überdrüssig geworden, vielleicht hat ihn