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Himmelsmechanik (German Edition)

Himmelsmechanik (German Edition)

Titel: Himmelsmechanik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Maggiani
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aufzubrechen.
    Auch das habe ich Nita erzählt, denn es ist gut, dass sie weiß, wovon ich überzeugt bin: dass das Gefühl für das Maß uns dazu bringt, es immer bei Kräften anzuwenden, die von Gegensätzen bewegt werden, die uns im ersten Moment unverständlich vorkommen. Immer, wie beim Tango, wie in dem, was wir sind. Am Caius habe ich rechtzeitig zur Rugby-Saison meinen Abschluss gemacht und bin als Profispieler nach Newcastle zurückgegangen. Sie haben mich als Halbspieler eingesetzt, doch am Ende der Saison hatte ich das Trikot mit der Nummer 3 des rechten Pfeilers. Der Duse schrieb ich nur, dass ich vorzeitig meinen Abschluss gemacht hätte und mich jetzt an die Arbeit machen würde; sie bat mich nicht zurückzukommen und riet mir auch zu nichts Besonderem, außer die Namen der hundert wichtigsten italienischen Städte durchzugehen; einfach so, um das Gedächtnis fit zu halten. Der Rugby-Beruf dauerte zwei Saisons, die Zeit, um zu kapieren, dass ich ihn nie ernst genug nehmen könnte, um langfristig mein Gehalt zu rechtfertigen. Die Fans der Mannschaft mochten mich, weil ich auf der Gedrängelinie stark war und Fantasie hatte, aber sie fürchteten meine obskure Stummheit, die Manager waren klugerweise unsicher über die Aussichten ihrer Investition; und so ging ich weg, unter dem Applaus und zur Erleichterung aller.
    Wenn sie nicht Fische und Kartoffeln braten musste, kam die Santarellina, um mich spielen zu sehen; nach dem Spiel ging ich mit ihr in einem Luxusrestaurant essen, und sie fasste mich dabei die ganze Zeit an, um zu sehen, wo ich mir etwas gebrochen hatte. Sie war sich sicher, dass ich sie anlog, als ich ihr sagte, dass alles in Ordnung sei: Kräftige junge Leute wie du brechen sich etwas und merken es gar nicht. Ich glaubte ihr; tatsächlich brach ich mir irgendwo etwas, wer weiß wo. Ich war kräftig, ich wusste genau, was ich tun musste, und mit zwanzig Jahren war ich schon ein angesehener Engländer, ein Stolz für das ganze Revier, wenn man es erfahren hätte; doch in Wirklichkeit begann ich, den gebrechlichen jungen Männern am Rande der Bauernhäuser zu ähneln, die dem Akkordeon der Duse lauschten, ohne dass sie Lust zu tanzen bekommen konnten.
    Bei diesen Abendessen für fünfzig Pfund pro Kopf war die Santarellina von allem angewidert, sie steckte sich etwas in den Mund und kaute es eine ganze Weile durch, während sie mich weiterhin ansah; am Ende wischte sie sich den Mund an der Batist-Serviette ab und fuhr mir mit der Hand über die Augen, um mich darauf aufmerksam zu machen, dass ich nicht lachte. Und ich lachte nicht, weil ich Angst bekommen hatte; da war jemand, der sie mir eingejagt hatte. Dessen war sie sich sicher, und sie wollte, dass ich mich bei einem gewissen Giuncugliano blicken ließ, der mit ihr zusammenarbeitete und in der Lage war, mich davon zu befreien. Ich kann nicht mehr genau sagen, was mich in jenen Jahren umtrieb, doch was immer es auch war, es konnte nichts von zu Hause sein; nicht die Angst, die dir ein neidischer Hexer auf die Augen wirft, nicht die Angst, die aus dem Ast eines trockenen Nussbaums fällt. Ich war damals Engländer, ich war Chemiker, der Physik am Caius College von Cambridge studiert hatte. Und Newcastle wollte mich so haben, und ich hatte sogar Frauen, die mich so haben wollten. Auch das habe ich Nita gesagt.
    Ich wollte mich anders, und so landete ich schließlich als Rausschmeißer in einem Club im West End, einem Lager inmitten der Kanonenfabriken. In dieser Baracke wurde die beste Musik des Vereinigten Königreichs gespielt; ich musste die Leute draußen halten, wenn man drinnen nicht mehr atmen konnte, und aufpassen, dass nicht ein paar Saufköpfe das Fest verdarben.
    Schließlich habe ich sie darüber informiert, wie ich zum Bewusstsein meines Berufs gekommen bin. Was wegen meines Freundes Thomas geschah, eines offensiven Halbspielers, der ein paar Jahre mit mir zusammen am Rutherford gewesen war, bevor er die Sache hinschmiss und bei Whincker’s als Arbeiter anfing. In den Jahren am Caius hatten wir uns aus den Augen verloren, aber er kam jeden Freitag in den Club, nahm sich zwei Flaschen Bier und suchte sich einen Platz, wo er ab und zu ein Gespräch mit mir beginnen konnte. Er war ein sehr zurückhaltender Mensch und versuchte, mich nicht in meiner Arbeit zu stören; er hatte nur Lust, ein paar Blicke, ein paar Worte zu wechseln: Er war einsam, wie übrigens alle hier drinnen. Unsere Freundschaft bestand darin zu vermeiden, von

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