Himmelsmechanik (German Edition)
mit ihren Augen auf, und sie wagen es nicht einmal, sie auch nur mit dem Ball zu streifen; sie stehen herum, unsicher auf dem glatten Untergrund, und versuchen, mit dem Meer zu spielen und von Frauen zu fantasieren, die so derb wie sie sind, mit denen sie sich aber auch bemühen könnten, ein paar Worte zu wechseln. Sie schaffen es noch rechtzeitig, sich etwas abzutrocknen, und brettern schon wieder über die Straße, noch das Salzwasser am Leib und das Schweißgemisch der nassen Badehose, das ihnen auf den Sattel läuft.
Und dann kommen wir, die schon schwimmen gelernt und wieder verlernt haben; wir suchen das Meer nur, um es zu erblicken und zu riechen. Die Schäfer steigen mit der Ausrede der letzten Gräser über die Felsen zum Passo della Pecora, zum Passo delle Bisce, zum Gipfel des Monte Altissimo hinauf, riskieren Kopf und Kragen und die Herde, um sich eng an den höchsten Felsen zu lehnen und die ganze Unermesslichkeit des Meeres dort zu sehen, vollgesogen vom türkisfarbenen Abgrund des Horizonts, begeistert, sich als Zeugen des Sonnenuntergangs in der purpurnen Flüssigkeit des Endes der Welt zu sehen. Und der warme Wind, der vom Meer heraufsteigt, wird um sie herum zu Nebel, dicht wie Lab; und die Schafe kauern sich blökend vor Enttäuschung zwischen die Steine, mit vom Stolpern blutenden Füßen und quälendem Durst und dem dürren Zeug, das ihnen im Magen liegt, ohne dass sie es verdauen können. Und es werden auch Feste gefeiert in diesen Tagen, am Valico del Vestito und del Cipollaio, auf dem runden Gipfel des Sumbra, wo man am Tag sogar Ligurien und die stillen Gewässer von La Spezia sieht. Man holt Cliquen und Parteien herbei, nur um einen Teller und ein Glas voll zu sich zu nehmen und sich zu dritt oder zu viert hinzukauern wie Affen und in der Nacht die Lichter im Meer zu betrachten.
Und man sieht, dass das Schwarze dort unten Meer ist, allein wegen der Lichter, die langsam in ihrer Spur fahren. Und wir denken an die Öltanker und an das, was sie vom Meer sehen und wir hier nicht sehen, an das, was sie inmitten der Wellen erleiden, was wir nicht erleiden. Und wir bleiben unschlüssig, ob es am Ende gut gewesen ist, dass wir ohne Meer waren, ohne seine Frische in der Julihitze und ohne sein grenzenloses Exil.
Auch ich bin es mir ansehen gegangen an jenen Tagen der Rastlosigkeit, ganz für mich allein, um schon beim ersten Morgenlicht oben zu sein und nicht auf dem Geröll verbrannt zu werden; oben auf dem Gipfel der Pania, von wo aus man das blaue griechische Meer sieht.
Auch dort ist es heiß, doch mein Vater, der in der Gluthitze des Amazonas aufgewachsen ist, hat das wohl nicht gemerkt. Wenn auch er hierher gekommen ist, um das Meer zu sehen, das er so herbeisehnte, wenn er von hier hinuntergesprungen ist, um es sich zu holen. Ich bin so viele weitere Male auf der Pania gewesen, dass ich mich beim letzten Mal gefragt habe, ob es das wert sei, sich noch einmal die ganze Mühe zu machen. Auch wenn ich noch tausend Mal versuchte, dahin zurückzukehren, würde ich den alten Chico dort nicht finden. Dort sitzend, wo ich jetzt sitze, und das blaue Meer betrachten, warten, dass ich ihn etwas fragen würde, um mir zu antworten. Nein, das wird nicht passieren, und es ist gut, dass ich in diesem Moment nicht zurückgehe: Es gibt viele andere schöne Gipfel im Revier, es gibt viele andere Meere und viele andere Dinge zu tun. Es wird zum Beispiel noch ein paar gute Jahre, nicht viele, geben, damit ich genügend Kraft habe, um mir diese noch zu gebärende Tochter zu nehmen und sie auf meine Schultern zu setzen und sie herumzutragen, sie die Welt sehen zu lassen. Anzuschauen und kennenzulernen. Es würde sich schon jetzt lohnen, mir Routen auszudenken; binnen Kurzem wird sie schon bereit sein zu kommen, und es wäre angebracht, dass ich eine Wahl träfe, wobei ich das Dringliche von dem unterscheiden sollte, was noch warten kann, was mir in der kurzen Zeit, die ich noch habe, obliegt, und was sie sich allein suchen gehen wird.
Und ich glaube, dass ich sie nicht auf den Gipfel der Pania führen werde, angenommen, das könnte ich noch tun, und ich werde sie nicht neben mich setzen, um noch einmal das blaue griechische Meer zu betrachten, um wieder in der alten Geschichte ihres Großvaters herumzugraben. Sie wird sich selbst ihr Meer suchen, wenn sie Lust nach Meer hat, ihre Mutter und das ganze Revier werden sich darum kümmern, ihr ausführlich über die Legende des Vaters ihres Vaters zu berichten, der
Weitere Kostenlose Bücher