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Himmelsmechanik (German Edition)

Himmelsmechanik (German Edition)

Titel: Himmelsmechanik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Maggiani
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äußerst schlaues System aus, um der Bergbaugesellschaft, die ihn eingestellt hatte, Diamanten zu stehlen: Ein paar schwarze Ausgräber, die er sich wie Sklaven hielt, ließ er unter Stockschlägen einen pro Woche verschlucken, und er ließ sie diese außerhalb der Kontrollzäune mit Faustschlägen in den Bauch wieder hinausscheißen. Er schaffte es, sich drei Viertel des Landes zu kaufen, bevor er von den Rangers seines Unternehmens geschnappt und umgebracht wurde, wobei er schlimmer starb, als er seine Schwarzen hatte leben lassen.
    So erzählt es die Santarellina und fügt noch schreckliche Details hinzu. Und sie erzählt von seiner Ehefrau, die ins Dorf zurückkehrte, und auch wenn sie nicht mehr so »glatte Beine und einen strammen Hintern« hatte, wie als sie aufgebrochen war, war sie doch immerhin am Leben, obwohl nach der wohlüberlegten Meinung der Santarellina sie der Stein des Anstoßes und die Urheberin von Rizieris Ruin war. Dies nur zur weiteren Bestätigung ihrer Meinung über die Dummheit der Männer und die rettende Prostitution der Frauen.
    Die Duse und die Santarellina trafen sich eines Morgens, während sie, vom Storch verfolgt, auf der Straße nach Fosciandora flüchteten. Damals wusste man noch nicht, dass der Storch so tief flog, um die Situation an der Front besser fotografieren zu können, und es wurde vielmehr erzählt, dass er von einem besonders bösartigen Flieger gelenkt wurde, der sich in seiner Bosheit die Personen einzeln aussuchen würde, die er gern mit dem Maschinengewehr beschießen wollte. Die Duse kam gerade von der Mühle zurück, wo sie etwas Brot für das Wirtshaus gekauft hatte, die Santarellina war unterwegs, um einer Familie von dort oben Schweinefleisch zu verkaufen; jede hatte ihr schön schweres Bündel umhängen und keine von beiden wollte sich zur Auserwählten des Maschinengewehrschützen anbieten. Sie warfen sich zwischen den Erlen in den Graben, noch bevor sie einander bemerkten. Die eine sah viele Haare im Gras, die andere zwei große Augen, die aussahen wie die eines Mäusebussards, der mit dem Kaninchen in den Klauen erwischt wurde. Sie kannten sich nicht, jede wusste, wer die andere war, aber sie hatten sich noch nie Guten Tag gesagt. Sie warteten, dass der Storch sich jemand anderen aussuchte, und dann richteten sie sich wieder auf.
    Zuerst sahen sie nach, ob sie sich nicht zufällig in die Hosen gemacht hätten, machten sich etwas zurecht, tasteten nach ihren Bündeln, und dann begrüßten sie sich. Sie standen dort eine ganze Weile am Rande des Grabens. Sie redeten so viel, dass sie Hunger bekamen, und sie aßen Brot und Schwein, Dinge, die ihnen gar nicht gehörten. So wurden sie Freundinnen; ohne viele Vorreden und Förmlichkeiten, wie die Santarellina sagt. Als wären sie Schwestern, die sich begegnen, nachdem sie zwanzig Jahre lang herumgewandert waren, versuchte mir die Duse zu erklären. An jenem Tag mit dem Storch war die Duse noch keine achtzehn Jahre alt, und die Santarellina nur um eines älter.
    Der Krieg hatte viele Dinge weggenommen, aber er hatte auch welche kommen lassen, und die Santarellina war gekommen, damit der Krieg nichts mehr von dem mitnahm, was blieb, und besonders, damit er das Leben, das noch kommen würde, nicht wegnahm. Das ist das, was die Duse schon immer dachte. Die Santarellina, die alle Dinge weiß und von allen sprechen kann, ist bei diesem Thema sehr zurückhaltend; oder einfacher gesagt, sie hat keine Meinung. Die Santarellina interessiert sich sehr für die Vorfälle, die geschehen, und wollte anscheinend nicht über die Fragen nachgrübeln, die die Seele betreffen. Ansonsten ist ihr Leben so voller heftiger und verwickelter Ereignisse gewesen, dass die Dinge der Seele ihr immer als Leichtigkeiten, als Lappalien vorgekommen sein mussten.

Ich bin als Witwe geboren
    Die Duse hat mir gesagt, wie die Santarellina geboren wurde, und sie selbst erzählt mir noch jetzt davon, wie sie gelebt hat. Sie ist eine selbstbewusste und stolze kleine alte Frau, und sehr eingebildet.
    Ich bin als Witwe geboren, hat sie mir verraten, noch so voller Verblüffung über sich selbst, in ihrem Alter noch in Stimmung, über ihr tragisches Leben zu spotten.
    Ich habe noch nie eine andere Frau kennengelernt, die sich imstande fühlt, von sich etwas ebenso Definitives zu sagen. Auch keinen Mann.
Ich bin als Witwe geboren
. Nicht Junggeselle, nicht alte Jungfer, nicht sonderbar und auch nicht untauglich, sondern »ich bin beraubt geboren«. Warum

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