Himmelsmechanik (German Edition)
war, was sie wollte, musste Gott es ihr geben.
Und wie sie mir ihren heiligen Schwur in Erinnerung ruft, stellt sie sich vor mich hin und dreht sich auf ihren Fußspitzen wie ein Model, damit ich genau sehen kann, dass sie in ihrem Alter noch nicht bucklig geworden ist. Sie ist so rege und so winzig, ihr Gebiss so glaubhaft, und die Dauerwelle ihrer Haare so rot und kräftig, dass ihre breiten arthritischen Hände nur aus Versehen an allem Übrigen zu kleben scheinen. Aber nicht einmal Gott kann ihre Hände vor dem Leben retten, und das Gewicht der Lasten auf Santarellinas Händen war der Biss eines Hundes, der nie lockergelassen hat. Sie hat nie gern ihre Hände vorgezeigt, auch nicht, als ich ein Kind war und sie sich alle Tage um mich kümmerte. Was man über ihre Hände weiß, ist, dass es weder die Wälder noch die Hausarbeit waren, die sie so unmenschlich gemacht haben, sondern die zwanzig Jahre, die sie in Newcastle verbrachte, als sie dorthin ging, um Kartoffeln und kleine Fische zu braten. Es war nicht das Schälen von drei, vier Zentnern Kartoffeln am Tag, das ihr solche Hände bescherte, und auch nicht das Säubern all dieser Fische, sondern das Öl, in das sie diese Dinge zum Braten hineinlegte, das ab und zu auch ihre Hände briet. Scheinbar sind auch ihre Lungen mehr oder weniger in dem Zustand wie ihre Hände, obwohl der Einzige, der sie gesehen hat, der englische Arzt war, der sie hierher zurückgeschickt hat. Auch wegen des Öls, das ihr die Lungen frittiert hat. Aber die Santarellina ist noch so stark wie nie.
Stärker als die Santarellina sind nur die Frauen aus Vagli. Aber das sind Frauen, von denen man nicht weiß, woher sie kommen.
Auch über ihre Männer weiß man nichts Genaues, außer der Gewissheit, dass sie nur wenig schwächer als ihre Frauen sind. Sie leben hier im Revier, aber sie stammen nicht von hier. Nicht mit ihrer Sprache, nicht mit ihrem Aussehen, nicht mit ihren Sitten und Bräuchen; sogar ihre Hippe ist anders als die aller anderen, breiter und kürzer. Sie haben sich ihre eigene Legende geschaffen, nach der sie die Kinder der Sklaven sind, die der römische Besatzer in den Tagen der Auflösung des Römischen Reichs nicht gefangen halten konnte.
Nachdem sie von den kolonialen Latifundien geflohen waren, hatten sie sich in Banden zusammengeschlossen und lebten von Korruption, bis sie in den schmalen Hochebenen oberhalb der Schluchten von Forcoli einen sicheren Unterschlupf fanden. Hier konnten nicht einmal die langobardischen Barbaren weit genug und mit ausreichender Boshaftigkeit eindringen, um sie zu einer Vereinbarung und zum Handel zu zwingen; sie schafften es auch nicht, sie von der Güte ihres arischen Christus zu überzeugen und eine ihrer Kirchen zu bauen, keine Frage. Zur Zeit der Langobarden nahmen die Kirchen den Platz der Festungen ein, die bei der Auflösung der römischen Legionen außer Betrieb gesetzt wurden; diese Festungen wurden vom Volk besetzt, um sich dort in Sicherheit zu bringen und auch um den Seelen in dieser Zeit des Kummers etwas mehr Luft zu verschaffen, und sie wurden neu aufgebaut als Häuser des neuen Gottes der Herrschaftslosen. Von diesen mit germanischer Redlichkeit geweihten und eingerichteten Kirchen ist wenigstens eine pro Dorf geblieben, außer im Dorf Vagli. Dort rühmen sie sich als Heiden; und auch ihre Pfarrer, die selbst auszuwählen sie die Gewohnheit haben, auch gegen den Willen der obersten Autorität, scherzten nie, wenn es darum ging zu ketzern, in der Vergangenheit wie in der Gegenwart.
Dieser Vagli-Bewohner ist ein spezieller Typ des kriegerischen Priesters, wie auch seine Gemeindemitglieder Krieger sind; alle, Frauen und Männer, Laien und Geweihte, sind von einer unbeugsamen Kampfeslust besessen, die sie zur äußersten Rebellion treibt und sie an einen allgemeinen feindseligen Charakter fesselt. Zu Zeiten des Krieges bestand Valangas Bande zur Hälfte aus ihren Jugendlichen, und ihre besten Mädchen waren die Kuriere; einer ihrer Pfarrer hat gekämpft, die Messdiener haben sich engagiert. Aber aus ihren Reihen kamen auch die schlimmsten und rachsüchtigsten Spitzel, Verräter aus Vergnügen und Veranlagung. Und das wäre Wasser auf die Mühlen ihrer Legende, vorausgesetzt es stimmt, dass das genetische Ergebnis der Sklaverei auf ewig einen Rest von Neid und Rache mit dem Hunger nach Gerechtigkeit und dem Durst auf Revolte vermischt.
Doch in ihrer Sprache gibt es unverständliche Ausdrücke für denjenigen, der die
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