Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelsmechanik (German Edition)

Himmelsmechanik (German Edition)

Titel: Himmelsmechanik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Maggiani
Vom Netzwerk:
Spur von Wildheit und auch nicht von einer der Eigenschaften, die Don Gigliante oder eines seiner Gemeindemitglieder haben könnten. Ein Grund, weshalb mich ihre Übereinstimmung überrascht und beunruhigt.
    Das letzte Mal, als Don Gigliante vorbeikam, kurz nach St. Blasius, waren wir mitten in der Hirschsaison, der Saison der Wilddiebe, meine ich. Der Schnee war ziemlich hoch und trocken genug, um die feinsten Details der von den Tieren hinterlassenen Fährten zu konservieren, aus denen man auf Größe und Zeitpunkt schließen kann; in jenen Tagen des Eiskristalls waren sie schon so ausgehungert, dass sie sich mit den Piniennadeln und den in der Kälte verdorrten Disteln zufriedengaben, die sie suchen gingen, indem sie bis zu den Saatfeldern herunterkamen. Während er seine Konfitüre schlürfte, erfuhr Don Gigliante von Nitas interessantem Zustand. Da bat er auch um einen Kaffee, um dem Stück Toscano, das er zu rauchen begonnen hatte, mehr Körper zu verleihen, und nahm mich beiseite. Normalerweise hat er kein Bedürfnis nach besonderer Vertrautheit: Er und ich beichten uns gewöhnlich keine geheimen Zweifel und intimen Hoffnungen; Don Gigliante und ich tauschen höchstens einmal Informationen über die Entwicklung jenes offen oder nur heimlich jagbaren Teils der Schöpfung aus. Er fragte mich, ob ich denke, noch lange genug zu leben, um mein Kind aufzuziehen; mein Mädchen, um genau zu sein, da auch er sofort zur Überzeugung kam, dass das Ungeborene weiblich ist. Er fragte es mich in seinem üblichen Ton, mit dem er mich um vertrauliche Informationen über die Verfügbarkeit von Wild in den Allmenden bittet, für deren Respektierung ich sorgen muss.
    Ich versicherte ihm, dass das nicht der Fall sei, dass dieses Mädchen geringe oder keine Gefahr laufe, die Last meiner Schande zu ertragen. Er schien mir erleichtert zu sein. Ich weiß, wie sehr er seine Männer liebt, aber ich weiß auch, wie sehr er deren Frauen liebt. Ich weiß, und was man in Vagli tut, ist nur leicht theatralischer als das, was anderswo im Revier passiert, dass diese Frauen stark genug für jede Last sind, aber nicht stark genug, um ihre Männer zu ertragen. Nicht so lange, bis ihr Leben ausgesaugt ist wie ein Knochen, nicht, dass sie soweit kommen, gezwungen zu sein, dieses Stückchen Göttliches zu entweihen, das sie in ihrem Innern tragen. Ich kann mir die Beichte dieser Frauen vorstellen: Ich möchte, dass der Herr mir die Gunst erweist, ihn mir aus dem Weg zu räumen, Vater, ich würde ihn in der Nacht erwürgen, hätte ich nicht Angst, ihn aufzuwecken. Und nicht, dass viele dieser Frauen von ihren
tecchiaioli
nicht geliebt, sogar verehrt würden; doch die Art der Liebe, die die Männer über ihnen ausschütten, zermürbt sie. Der abnorme Egoismus dieser Liebe, die unwirksame Gewalt, mit der sie beim Akt des Gebens ausgeübt wird, und die vergebliche Faulheit beim Nehmen. Die Haltlosigkeit ihres Vaterschaftsanspruchs, als wären sie wirklich in der Lage, ihre Kinder zu besitzen, ohne dass es ihnen auch nur gelingt, ihre Frauen zu besitzen, nicht wie die Frauen das erwarten würden, indem sie eine Seele zum Teilen haben. Ich weiß das alles nur, weil ich schon als Kind darin geschult wurde, es zu sehen, denn eines Sonntagnachmittags begann die Lehrerin Duse, die aktive Erziehung zum Verständnis einer Liebe, von meiner Empfängnis an, vor mir auszubreiten. Und da spricht dieser alte Pfarrer mit mir, als müsste ich noch alles kapieren. Das ist typisch für die Arroganz dieser Menschen.
    Aber um auf die Bärenstarken von Vagli zurückzukommen, diese Frauen gehen heute als Arbeiterinnen in die Papierfabriken unten im Tal, als Staplerfahrerinnen, als Hilfsarbeiterinnen. Dann, kaum dass sie etwas Zeit haben, betätigen sie sich als Maurerinnen, um die Häuser, in denen sie wohnen, zu bauen und abzureißen; sie verlängern sie, erweitern sie, reißen sie ab und bauen sie wieder auf. Wenn sie dann noch etwas Zeit haben, verlieben sie sich rettungslos und tragisch. Diese Frauen machen die Männer krank, die nicht auf sie vorbereitet sind. Sie sind von einer wohlgestalteten Männlichkeit, die einen erregt und verwirrt, bebend in ihren Bewegungen von gleichgültiger, finsterer Anmut. Sie haben eine dunkle Haut und seidige Haare, wie bei ihren Männern sind ihre Augen schwarz, sie haben aber einen noch intensiveren und bösartigeren Ausdruck. Man muss nicht Anthropologie studiert haben, um zu begreifen, dass sie ihre Liebe und ihr Geschäft mit

Weitere Kostenlose Bücher