Himmelsmechanik (German Edition)
beschlossen zu begreifen, und dann gingen sie zur Tambura hinauf; aber nicht in jenem Jahr ’44, sondern später, als dort oben nur noch kleine Jungs waren, die man mit einer Maschinenpistole in der Hand zurückgelassen hatte, um für den Major und den Unteroffizier und den Obergefreiten die Zeche zu bezahlen.
Es kehrten also diese Frauen zurück und begannen, von Sant’Anna zu sprechen, denn um zu leben, muss man bekannt geben, dass man noch am Leben ist; am Leben, auch wenn alle anderen tot sind. Dort wusste man nicht einmal genau, wo Sant’Anna war, außer durch die zwei oder drei Steinbrecher, die vor der Gotenlinie zum Arbeiten bis in die Steinbrüche von Camaiore gingen. Sant’Anna ist nämlich nicht einmal ein Dorf, sondern ein Sprengel mit seinen in den Ebenen versteckten Häusern, die hier und da in den von Hackendorn verseuchten Eichenhainen gegraben wurden, zu weitläufig, um von diesen wenigen Seelen gehörig gepflegt zu werden. Doch in jenem Jahr ’44, mitten im Sommer, war es voll von Leuten, entfernten Verwandten und Untermietern, Frauen und Kindern und vom Militärdienst befreiten Männern, die aus der gesamten Gegend von Lucca und der Versilia evakuiert worden waren. Diese Gegend hatte damals von überall her Beschuss einstecken müssen; von den 380ern der Marine, die sie von Montemarcello auf die Engländer abschoss, von den Granaten der neuseeländischen Haubitzen, die sich Lucca zum Ziel genommen hatten, von den Splitterbomben der amerikanischen B17, die die Moral des Feindes brechen wollten, bis zu den Brandbomben der nächtlichen Bomber des Freien Frankreichs, die sich für das erlittene Unrecht schadlos halten wollten. Und vom ganzen Arsenal, das die Deutschen mit den Batterien der Gotenlinie abfeuern konnten, um den Befehl des Oberkommandos auszuführen, der Kesselrings Armee verpflichtete, die alliierten Streitkräfte in den Beschränktheiten ihres halben Sieges festzuhalten.
Dieser abgelegene unbekannte Ort schien eine gute Abhilfe zu sein; die Deutschen selbst hatten ihn als Evakuierungsgebiet bezeichnet, und gewöhnlich hielten sie ihr Wort.
So waren es mehr oder weniger tausend, die sich zwischen den Häusern, den Ställen und Scheunen drängten, bis der Sommer vorbei wäre, bis der Krieg vorbei wäre. Und die Frauen mit ihren kleinen Kindern waren froh, dass sie sie in den Wäldern herumtoben lassen konnten, und die Frauen mit Säuglingen waren froh, ein wenig Ziegenmilch zu haben, und die Schwangeren über die frische Luft und die Speckscheiben, mit denen sie ihr Brot belegen konnten. Vier SS-Abteilungen und ein General, Elitemänner der Division Reichsführer SS, Adolf Hitlers persönliche Division, gingen hin, um 560 von ihnen umzubringen.
Erfahren, wie sie in ihrem Handwerk waren, begannen sie um sieben Uhr morgens, und um zehn Uhr waren sie bereits fertig. Eine Arbeit, die mit der gebotenen Sorgfalt ausgeführt wurde: zuerst Maschinengewehrfeuer für das Gröbste, dann Pistole für die Feinarbeit, schließlich Handgranaten und Flammenwerfer für den Rest. Sie brachten die Frauen und die Kinder um und die Alten; die Männer nicht, nicht alle; sie waren rechtzeitig geflohen, sie waren die Einzigen, die etwas zu befürchten hatten. Es war alles in Ordnung, es war wirklich alles in Ordnung: Es gab dort keine Partisanen, und ringsum in den Bergen war nie etwas vorgefallen; es war nur ein Ort für Evakuierte.
Es geschah am 12. August jenes Jahres ’44, es war heiß, es war der Tag des heiligen Anicetus; doch nicht einmal der Pfarrer wusste genau, wer dieser Heilige war und was er Gutes vollbracht hatte. Der Pfarrer starb nicht an jenem Tag, er kam zu spät nach Sant’Anna, um an die Wand gestellt zu werden; er weiß nur noch, dass er die Deutschen antraf, wie sie unter den Bäumen um das brennende Dorf herum lagen. Sie rauchten und hörten Musik aus einigen Grammofonen, die hier und da verteilt waren; sie kamen ihm so müde vor, als könnten sie nicht mehr. Doch das stimmte nicht, das sah nur so aus. Von dort brach die Reichsführer SS auf und stieg in zwei Wochen die Apuanischen Alpen hinauf zum emilianischen Apennin, über Valla, Bardine, Vinca, über Pioppeti und Borgiola, über Forno, über San Terenzo, und sie hielten auch in Frigido und setzten ihre Arbeit fort, auf dieselbe Weise, mit derselben Ausrüstung.
Ich habe Nita nach Sant’Anna geführt; im letzten Jahr, als ich beschloss, dass sie bleiben durfte, und ich habe sie begleitet, die Grenzen unseres Reviers zu
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