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Himmelsmechanik (German Edition)

Himmelsmechanik (German Edition)

Titel: Himmelsmechanik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Maggiani
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Hinsicht nichts zu befürchten hatte. Und noch letzte Woche, da alle Felder noch voller vom nicht endenden Eis geschwächter Stoppeln waren, kommt sie mit einem Korb Frühkräuter bei uns vorbei, die vernünftigerweise erst in einem Monat oder später wachsen würden. Doch sie weiß, dass die Ausnahme einem das Leben rettet, nicht die Vernunft, und sie geht außerhalb der Saison über die Felder, zuversichtlich, die Ausnahmen zu finden, die sie und ihre Lieben ernähren werden.
    Nita hat auf die eine oder andere Weise dasselbe gelernt. Auch hinsichtlich der Kräuter, von denen sie jetzt weiß, dass es sie gibt, und die sie lernt zu erkennen, ohne dass man sie ihr kochen und auf den Teller legen muss: Auch sie ist eine Davongekommene und beim Davonkommen ein Flüchtling.
    Sie kommt aus einem Ort, der nicht anders ist als Sant’Anna, das Sant’Anna in der Blüte des Sommers ’44. Als ich erfahren habe, aus welchem Abgrund diese so junge und schöne und willensstarke Frau kam, dachte ich, dass dieses Revier nicht groß genug wäre, um auch sie zu fassen. Vor allem jetzt, da die Engländer zurückgekehrt sind, da es sich wieder mit den Nachkommen jeglicher Art von Evakuierten, Exilierten und Entmündigten bevölkert. Hier versuchen sie, viele Jahrhunderte alte Wunden zu lindern, hier wird die Liste der offenen Rechnungen der antiken, mittleren und jüngsten Geschichte neu erstellt, und man schaut, was man begleichen, was man erlassen kann. Dieses Tal ähnelt einem Sanatorium, und zwar Jahr für Jahr mit größerer Plausibilität. Hier wird geheilt; und infolgedessen werden keine Wunder vollbracht. Und man schätzt auch keine durch ein Wunder Geheilte, überzeugt wie wir aus ältester Kultur sind, dass niemand durch ein Wunder Sant’Anna und auch kein anderes Massaker, Verfolgung oder Krieg überlebt hat; so wie auch niemand durch ein Wunder geboren wurde oder durch ein Wunder gestorben ist, sondern nur auf Grund der Weite des Lebens, auf Grund der Konsistenz dessen, der es erzeugt und der es umbringt.
    Als man erfuhr, wer diese Schönheit war, die an ihrem Namen hing, dem richtigen für die Behörde, war schon das Schild aufgehängt: durch ein Wunder am Leben.
    Nicht, dass sie sich vorgestellt hätte. Aber ein gewisser Mensch aus dem Rathaus, wohin sie gegangen war, um sich als fleißiger, berechtigter Gast anzumelden, ein stets aufmerksamer Freund der Begebenheiten des Lebens, stellte Nachforschungen an. Nur, um sich vorzuwagen, dafür zu sorgen, mit allen Wassern gewaschen zu sein, für den Fall, dass ihm die richtige Art gelänge, Hand an die Auswärtige zu legen. Also ein Mädchen, das durch ein Wunder am Leben ist, in der Blüte des August ’80. Sie wurde gefunden, ihre Tasche voller Puppen dicht an das Gesicht gepresst, in den Trümmern des Wartesaals des Hauptbahnhofs von Bologna. An jenem Morgen waren 85 gestorben, darunter ihr Vater, ihre Mutter und ihr Bruder, und es gab keinerlei Grund, warum nur sie in dem Haufen um sie herum überleben sollte. Sie war die Kleinste und die Zerbrechlichste, sie war die Ausnahme, nicht das Wunder. Und doch ist sie da.
    Anders als ’44, und ähnlich wie bei anderen zwischenzeitlichen Gelegenheiten, wurde die Tat mit einer Tasche voller Tritol und nicht durch Einsatz militärischer Mittel vollführt. Anders als im August ’44 gab es keinen direkten Kontakt zwischen Vollstreckern und Hingerichteten, so wie in jenem Jahr in der Gegend auch keine Partisanenaktionen oder besonders relevante Kriegsoperationen stattgefunden hatten. Ein Bahnhof ist per se eine Evakuierungszone, allgemein als solche anerkannt, ohne die Notwendigkeit eines besonderen Erlasses.
    Woher Nita kam, habe ich also von einem Angestellten des Einwohnermeldeamts erfahren, der die Absicht hatte, es mit ihr zu treiben, überzeugt wie er war, dass er, auf der letzten Stufe der Behörde stehend, schon jemanden darstellen würde, und wenn nicht jemanden, dann wenigstens etwas. Natürlich haben alle hier von dieser Geschichte erfahren, aber nie, ich sage nie, wurde sie auf irgendeine Art und aus irgendwelchem Grund darauf hingewiesen, auch nicht auf die hinterlistige Tour; dem Angestellten selbst hatte man zum Stillschweigen geraten. Und sie, Nita, war nie der Meinung gewesen, mit mir darüber sprechen zu müssen, und ihr Leben vor ihrer Ankunft hätte auch in einer der Bücherkisten beendet sein können, die unten im Keller vor sich hinschimmeln. Nichtsdestoweniger hat sie, die liebenswert eitel ist, dafür

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