Himmelsmechanik (German Edition)
machen; er betete, dass die Steine Stein blieben, genau wie die Herzen dieser Menschen. Gott stellte ihn zufrieden, wie er konnte. Die Dörfler bekamen kein Brot mehr, aber San Viano konnte auch keine Steine mehr werfen: Mit seiner ganzen skanischen Kraft schaffte es sein Arm nicht mehr, weiter zu werfen als einen Schritt, und bevor er es begreifen konnte, entstand um ihn herum ein kleiner Berg aus Steinen, die ihr Ziel nicht erreicht hatten.
Schließlich begriff er: Er erinnerte sich, dass Gottes Sohn sich Steine und Spucke und Beleidigungen einhandelte, deshalb aber nicht aufhörte, es mit Brot zu vergelten. Und er beschloss, Buße zu tun und zu versuchen, wenigstens in etwas seinem Erlöser ähnlich zu werden. Er baute sich ein Kreuz und fand in der Roccandagia sein Golgatha. Auf dem Gipfel angekommen, stellte er sein Kreuz auf und begann über seinen Zorn zu meditieren; er lernte ihn zu besänftigen, indem er auf den Kämmen umherstreifte, Schluchten und Abhänge passierte, bis er für sich eine andere Grotte fand, so abgelegen, dass sich niemand mehr die Mühe machte, ihn in seinen Gebeten stören zu kommen, obwohl die Versuchung der Vagli-Bewohner, sich wieder mit kostenlosem Brot zu versorgen, groß war.
Die Menschen von Vagli mussten sich ihr Brot auf ganz andere Weise besorgen, und die Strafe für ihre nachlässige Ungläubigkeit war, dass sie es sich mit der harten Arbeit in den Steinbrüchen verdienen mussten; von da an bis in die Ewigkeit mussten sie sich abmühen, um aus dem Marmorstein ein Stück Brot zu machen. Und jeder warf morgens nach dem Aufstehen und abends vor dem Zubettgehen einen Blick auf die Roccandagia in der Hoffnung, dass der heilige Viano weiterhin in solcher Ruhe lebe, dass er eines Tages beschließen würde, zu ihnen zurückzukehren, ihnen zu vergeben und ihnen wieder Brot zu schenken. Was nie geschah, und vielleicht ist deshalb der heilige Viano kein Heiliger im römisch-katholischen Kalender, und niemand hat jemals für ihn einen Altar verlangt. Außer im Dorf Vagli, wo sie noch nicht die letzte Hoffnung auf seine wundersame Bäckerkunst verloren haben und wo sie ihn als Schutzpatron fürchten und verehren; und die einfache Einsiedelei, aus der er sich herauslehnte, um ohne Sinn und Zweck zu predigen, wird Altar der Reue oder der verlorenen Gelegenheiten genannt.
Man weiß von keinem anderen, der danach von San Viano bis hinauf zur Roccandagia gegangen und dem es gelungen wäre, durchzukommen. Das ist keine Legende: Etliche Idioten haben dort oben ihr Leben gelassen; Bergsteiger von auswärts, die man zwei, drei Tage lang schreien hörte, bevor sie es aufgaben und sich von den Felswänden hinabstürzten. Ab und zu stieg einer der Hirten von Campo Catino hinauf, um diejenigen zu holen, die am einfachsten von den Graten wegzuräumen waren; ein Hirte, der von Mitleid gerührt wird, was nicht alle Tage vorkommt.
Wenn ich wüsste, wie ich zu San Vianos Kreuz gelangen könnte, glaube ich, dass ich mich dort wohlfühlen könnte, um über das unbestimmte Präsens nachzudenken; es gibt im ganzen Revier keinen geeigneteren Ort für eine schonungslose Überprüfung der Grundlage des Seins, dessen, was vom Sein unbestimmt und gegenwärtig bleibt. Vielleicht beschäftigte sich San Viano damit, als er seine besten Jahre damit verbrachte, sich ein Kreuz zu bauen, und den Rest seines Lebens, es auf dem Zahn zu errichten.
Ich müsste auf Nitas Gewissheiten hören, jetzt müsste sie noch dort oben sein, gegenwärtig und unbestimmt in Ewigkeit, den unmöglichen Pass zu schützen, die Bergsteiger in die Schluchten hinunterzujagen, die dummen, unwissenden Schänder ohne Gebet, die Erben der Steinewerfer aus Vagli. Wenn es mir gelänge, ihn nachzuahmen, wenn ich mich im unmenschlichen Unterfangen abmühen würde, mit meinem Kreuz auf der Schulter dort hinaufzusteigen, es neben seinem aufzustellen, solide hölzerne und gegenwärtige Materie, dort bleiben würde, um ihm die verdiente Ablösung bei der Bewachung des Passes zu geben, dann kann ich mir vorstellen, dass dies der Grundstein für die Errichtung einer Legende sein könnte. Doch von der Toilette aus betrachtet, scheint es mir eine allzu pittoreske Angelegenheit zu sein. Alles etwas zu choreografisch. Aber nicht die Roccandagia, nein: Auch von hier, von den banalsten Geschäften aus betrachtet, ist es nur Tragödie und Schönheit.
Wenn sie den Namen Gottes ausspricht, färben sich Nitas Wangen purpurrot. Etwas entzündet sich bei ihr irgendwo,
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