Himmelsmechanik (German Edition)
Nach dem Ende des Krieges hat Marta zu nähen aufgehört, hat sich ein Paar Kühe und einige Ziegen gesucht und lebt seitdem in einem Raum neben einem Schafstall in der Gegend von Borsigliana; und nun sind es schon sechzig Jahre, die sie dort oben lebt, umherstreifend und griesgrämig, wunderlich. Ich habe sie immer zu den Festen eingeladen, und sie hat immer abgelehnt. Gleich nach dem Krieg haben sie auch ihr eine Medaille verliehen, und hätte sie es beantragt, hätte sie auch noch eine Pension dazu bekommen; aber obwohl sie so sorgfältig beim Schreiben ihrer Berichte und ihre Prosa so reich für ein Mädchen war, das nur sechs Jahre in die Schule gegangen war, hatte es ihr nie behagt, einen Antrag zu stellen. Und offenbar braucht sie das nicht.
Sie hat ihre Kühe und ihre Ziegen, und sie versäumt es nie, sie sich im Frühjahr paaren zu lassen, sodass sie sich mit der Zeit vermehrt haben, und sie kann so viel Milch trinken, wie sie will, und Käse machen und ihn verkaufen, da sie dazu fähig ist. Und von dem, was sie hat, bleibt ihr sogar noch etwas übrig, und Martas Großzügigkeit ist ein weiterer Grund für unseren Stolz. Nach dem Krieg waren unsere Mütter jahrelang so abgemagert und unterernährt, dass sie nichts mehr in ihren Brüsten hatten, mit dem sie uns hätten stillen können; und diese ganzen Jahre, und auch danach, als die Unterernährung von der Erschöpfung abgelöst wurde, gab es keine junge Mutter, die zu ihrem Stall pilgerte, um etwas Ziegenmilch für ihr neugeborenes Kind zu erbitten, die nicht mit einer Ziege am Strick nach Hause zurückgekehrt wäre. Denn Marta hat sich immer die Ehre gemacht, in der ganzen Zeit der Not etwas zum kostenlosen Gebrauch abzutreten.
Ich war noch ein Mädchen, da war ich es schon ganz schön leid, Kinder weinen zu sehen
. Als einziges Geschenk verlangt sie, dass man ihr früher oder später zeigt, wie das Kind gewachsen ist, und wenn es nicht gut gewachsen wäre, dann würde Marta daran sterben, das wissen wir.
Auf irgendeine Weise steht jede Familie im Tal mit dem Leben eines zu Hause Geborenen bei dieser Marta in der Schuld; auch deshalb kann sie ihren wunderlichen Manien freien Lauf lassen, und ihre Verrücktheiten erscheinen uns sanft und erträglich wie die unserer alten verkalkten Mütter. Wenn ihre Ziegen im Winter werfen, nimmt sie das Zicklein mit zu sich ins Bett, solange es noch nicht genügend Kraft hat, sich wegzustrampeln, aber wenn wir ihr begegnen, kommt es keinem in den Sinn, sich zurückzuziehen, wenn sie einen umarmt und küsst wie ihr eigenes Kind; was letztendlich auch die Wahrheit ist, da wir ja mit ihrer Milch aufgewachsen sind. Ich sage wir, weil die Duse mir von der Ziege erzählt hat, die mir Milch gab; solange sie bei uns im Haus war, hatte die Ziege den Namen Duse, denn in der praktischen Logik der Lehrerin würde ich so aufwachsen, ohne unnötige Unterscheidungen treffen zu müssen; ich erinnere mich zwar nicht an diese Ziege, glaube mich aber an Konsistenz und Geschmack ihrer Milch zu erinnern, süß und klebrig.
Wenn die Kuhherde stärker anwächst, als sie es braucht, sucht Marta einen Hang, der entfernt und geschützt genug ist, und lässt ein Kälberpaar frei; also gibt es heutzutage um die Orecchiella herum Kälber und kleine Stiere, die seit mehreren Generationen wild weiden. Die Sache gefällt den Behörden nicht, die in diesen Kühen, die sich vermehren können, wie sie wollen, ein gefährliches Risiko im Gleichgewicht der Schöpfung sehen. Der blonde Nesbø hat mehrmals bei Marta einen Hinterhalt versucht. Doch ohne Erfolg, in Anbetracht dessen, dass Marta mit noch nicht einmal achtzehn Jahren schon wusste, wie sie die SS abschütteln konnte; so ist zwar bekannt, dass die Kühe ihr gehören, doch den Behörden fehlen die diesbezüglichen Beweise. Zu der Saison, in der das wilde Vieh kalbt, sieht man den Vertreter der Veterinärbehörde im Feldanzug in den Felsen um das Wiesenland am Pass postiert. Vom Tarnkhaki gut geschützt, späht er mit seinem Fernglas den demografischen Verlauf von Martas Freigelassenen aus und schreibt in ein Verzeichnis, wie viele es sind und was sie machen, um zu irgendeiner endgültigen Lösung zu kommen. In Wirklichkeit sind die Herden nie groß gewachsen, da Gott in seiner Weitsicht den Wolf und den Winter und den Hunger geschaffen hat.
Er schuf auch den Menschen, von diesem stammt die Einrichtung der Edel-Wilderer, die aus der fernen Lombardei auf luxuriösen amerikanischen Jeeps einfallen,
Weitere Kostenlose Bücher