Himmelsmechanik (German Edition)
langsam an, und ich schwitze, und Nazzarenos Pflaumenbaum ist ein alter, runzliger Baum, der sich sehr zum Anlehnen eignet; ich spüre auf meiner Hand, die zwischen den Blüten gestöbert hat, die Nervosität einer Ameise, die versucht, ihren Weg wiederzufinden. Es ist noch etwas früh für die Ameisen, und das heißt, dass irgendwo die Krankheit brütet, und ich vermute stark, dass wir dieses Jahr keine Pflaumen essen können.
Doch Nazzareno ist nicht nur sein Pflaumenbaum; Nazzareno ist ein Mann, der eine Leidenschaft für Aquarelle und sein Haus voll davon hat; überall Aquarelle, einzeln herumstehend, im Stapel und an der Wand. Auch er ist zurückgekehrt; er ist aus Patagonien zurückgekehrt, wo sein Vater sein Leben damit verbrachte, im Wind der Hochebene von Rio Negro Kartoffeln zu pflanzen. Bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr war er eingesperrt auf einem Landgut von 10000 Morgen mit einer Wellblechhütte mittendrin und einem Mammutblatt neben der Baracke und sonst nichts, so weit er sehen konnte. Seitdem er im Schulalter war, tat er nichts anderes, als mit dem Pferd über die Grassteppe zu reiten, Lämmer einzusammeln und sie zu schlachten, bis er reich genug war, um einen Bus zu nehmen, die Hälfte dessen, was er hatte, wie er sagt, in den Hotels von Buenos Aires zu verjubeln und dann ein Flugzeug zu besteigen. Seit fünf Jahren ist er jetzt hier, und alles, was er tut, ist, den Nachbarn beizubringen, wie man Zicklein brät und Aquarellemalt. Seine Aquarellemalt er aus demselben Grund, aus dem ich rede: damit nichts von dem verloren geht, was noch bleibt. Denn was geblieben ist, ist zu wenig, als dass man auch nur ein einziges Blatt davon verlieren darf. Und er malt nämlich Blätter. Er wird nicht lange genug leben, um all diejenigen auf die Seite zu legen, die er glaubt, bewahren zu müssen.
Er sammelt überall Blätter, von jedem Baum und in jedem Licht und jeder Jahreszeit; anstatt sie zu vernichten, bewahrt er sie im Haus auf und verewigt sie eines nach dem anderen. Auf der Hochebene gab es keine große Vielfalt an Blättern, und auch die Lämmer ähnelten einander alle. Jetzt weiß er mit Lämmern nichts mehr anzufangen, aber er ist von den Blättern angezogen wie ein Kind vom Karussell, und er glaubt, dass kein Geschöpf auf der Welt es mehr verdient, geliebt und erinnert zu werden, als sie; so wie Marta bei ihren Lämmern schläft, schläft er bei seinen Blättern.
Einmal im Monat gehe ich bei ihm vorbei, um ein paar neue Aquarelle anzusehen. Manchmal treffe ich ihn zu Hause an, aber es kommt auch vor, dass er im Wald unterwegs ist und den Schlüssel am Türpfosten hängen lässt; obwohl ihm ein kleines Schwätzchen gefallen würde, ist es mir lieber, den Schlüssel zu nehmen und allein in den Papierstapeln zu stöbern und ein paar Blätter zu finden, die ich noch nie gesehen oder die ich vergessen habe. Seine Zeichnungen sind wunderschön, sehr genau und leicht, und die Farben mit Maß und sicherer Hand aufgetragen. Es sind Aquarelle auf alte Art, die in ein Botanikkompendium passen würden. Auch hier findet man welche von diesen wunderbaren Bänden, die das ganze Leben eines der vielen humanistischen Erzpriester ausgefüllt haben, die die sanfte Herrschaft der Este über diese Ländereien in den vergangenen Jahrhunderten zu Revisoren der weltlichen und himmlischen Rechnungen bestimmt hatte. Sie wurden hergesandt, weil sie, geschickt, wie sie im Studium der Natur waren, unsere Empfindlichkeit nicht allzu sehr störten, da sie weder Zeit noch Lust hatten, ihre Nase in unsere Seelen zu stecken. Einen dieser in heimisches Ziegenleder gebundenen Bände, der noch vor hundert Jahren als Ergebnis großer Wissenschaft erschienen wäre, können wir heute nur als liebevolle Sammlung kleiner, vollkommener Poesie genießen.
Ich weiß nicht, wo Nazzareno dies gelernt hat, er sagt, sein Vater habe in der Baracke ein Buch über die Pflanzen und Tiere Amerikas mit solchen Bildern gehabt. Die Familie seines Vaters kommt aus Borsigliana, und meiner Meinung nach ist Nazzareno der einzige und einmalige Erbe der Kunst des Meisters aus diesem Dorf, Magister Borsilianii, ungefähr in den Jahren 1430 bis 1480.
Nach Borsigliana fuhr die Duse mit mir im Sommer für zwei Wochen, um die saubere Luft dieses Dorfes zu atmen und mir die Lungen zu stärken: Die Duse sah überall Tuberkulose, die heimlich zum Schaden ihres Sohnes und all ihrer Schüler aktiv war, die Duse sah in der Tuberkulose den Hinterhalt des letzten und
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