Himmelsmechanik (German Edition)
könnten die aus Colle es sich erlauben, ihn aus reiner Schönheit zu erhalten. Ich weiß, dass das nicht der Fall ist, ich weiß, dass jede Familie mit ihrem Anteil an Holz und Kastanien rechnet, es nicht zu tun, würde mehr Armut bedeuten, aber diese Menschen beschäftigen sich mit ihrem Wald, als würde das alte Dekret über Gemeineigentum sie zur zusätzlichen Mühe verpflichten, auf ihn stolz zu sein.
Die Pracht eines sauberen, geputzten, gekämmten Waldes, als wäre er ein Kind am Sonntagmorgen, die Ergriffenheit, die er auch in diesen Tagen hervorruft, da er gerade erst sprießt und die Äste nackt unter der Sonne sind und die Sonne heftiger wird und sich in den hohlen Baumstämmen windet und Ruß auf dem grünenden Moosbett verstreut. Der Zauber dieser Geschöpfe, riesig und vertraut wie ein blutsverwandter Onkel, pflanzlicher Stein und wildes Brot, Feuer, Haus und Zucker. Touristen kommen, um diesen Wald zu sehen, Grundschulen, Botaniker der Behörden; die Leute aus Colle lassen sie gewähren, gehen ihnen aber aus dem Weg, als fürchteten sie noch die Verkleidungen der Steuereintreiber des Großherzogs. Lautlos genießen sie den Zuspruch, den ihre Kastanien hervorrufen, und sie kommen nur näher, wenn Kinder dabei sind. Dann bieten sie ihnen Trinkwasser an, und wenn noch Saison ist, für jeden ein paar der sogenannten Priesterkastanien, die noch weich vom
metato
geholt und wie Bonbons gelutscht werden. Und wenn sie wirklich ergriffen sind, bieten sie ihnen manchmal ein Glas
striscino
an.
Ach je. Denn dieses exemplarische Volk hat in der Reihe von Gärten zu Füßen des Dorfes, wie eine Dornenkrone auf die Stirn ihres Hauptes gepresst, die von ihren Vorfahren ererbten schmucklosen Weinreben bewahrt. Und sie bebauen sie mit der Resignation und dem Starrsinn, mit der sie das Erbe einer genetischen Krankheit, die Verurteilung zu einem überschuldeten Nachlass tragen. Und sie bringen sich mit Gastritis um, in der Überzeugung, diese ungesunde Traube nach den biblischen Geboten ausgepresst zu haben; und wenn auch das, was herauskommt, gallenbitter ist, so liegt in diesem Gift immerhin Gottes Wille. So bieten sie es dir ohne Scham an, unverfroren wollen sie, dass du es so schnell trinkst wie sie und dich bedankst; und sie denken
der Wille des Herrn geschehe
und sehen dich ohne Mitleid an, während du dir heimlich die Hand auf den Magen hältst und von ihrem Glas wegschleichst.
Vielleicht werden sich die Dinge ändern. Die Behörde hat ihre Önologen auf die Weinberge des Reviers losgelassen, um Gesundheit und Erneuerung zu predigen; die weinkundliche Renaissance des Reviers hat sich Ulisse zur Leidenschaft gemacht, und er verschenkt Ableger, die unseren freundlichsten Hügeln wirklichen Glanz verschaffen könnten, er bekommt eine trockene Kehle, als er erklärt, warum die hundert Jahre alten Familienfässer nichts anderes sind als Seuchenherde, in denen die widerlichsten Boshaftigkeiten des sogenannten
striscino
gedeihen. Doch es braucht wohl noch eine Generation; vorher werden diese Völker einsehen müssen, dass es nicht besonders ehrenvoll ist, an Zirrhose zu sterben, und dann auf die Unbeweglichkeit ihres Herzens verzichten und das aufgeben, was für die Ewigkeit bestimmt wurde. Auch ihre erbärmlichen Weinreben.
Und ich bin schon am ersten Häusergürtel; die Anstrengung, die ich unternommen habe, ist eine gute Anstrengung, der Schweiß, den ich vergossen habe, sauberer Schweiß, und nun stehen diese Steinmauern, die dieselbe Farbe haben wie der vom Frühjahr angeschwollene Fluss, wie eine Feier vor mir.
Introibo ad altare dei
.
Der Gott wird in einem Schrein aufbewahrt, der auf den massiven Grundmauern des Dorfes liegt und jetzt San Martino heißt, aber früher San Mommé und der noch davor der Tempel von Herkules, dem Reisenden, war. Am Colle sind alle vorbeigekommen, auf dem Hin- und auf dem Rückweg. Und zum Colle sind dann alle wieder aufgebrochen und noch einmal zurückgekehrt: siegreiche und besiegte Konsuln, verfolgte und weissagende Heilige, Herzöge und Verbannte, Sklaven und Herrscher; und ein Papst, so heißt es, lustlos auf dem Weg zu einer demütigenden offenen Rechnung mit seiner Herrin, Markgräfin und Herzogin von Canossa. Alle haben an diesem Tempel angehalten, und jeder von ihnen hat sich auf die stille Steinbrüstung gesetzt, die über den Schoß des Tals hinausragt, der harte, luftige Balkon, der die Stütze von San Martino und die Kanzel von San Mommé und vielleicht sogar der Sitz
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