Himmelsmechanik (German Edition)
endgültigen Krieges, der all das niederwerfen würde, was vom anderen verschont geblieben war. Borsigliana hatte diesen Ruf der sauberen Luft, weil man dort den Käse gut reifen ließ und in den vier Schäferfamilien, die dort ansässig waren, viele alte Menschen lebten. Die Duse ließ sich den Schlüssel für das Pfarrhaus geben, in dem sich der Pfarrer schon seit vor dem Krieg nicht mehr aufhielt, und wir gingen dorthin, sie mit ihrem Rucksack, ich mit meinem Bündel, zuerst mit dem Bus bis Giucugnano, dann von dort aus ein paar Stunden zu Fuß: Es gab keinen Bus, der nach Borsigliana fuhr, und auch keine Autos oder Lastwagen, von denen wir uns hätten mitnehmen lassen können, weil es keine Straße gab, auf der sie hätten fahren können. Ich glaube, das einzige menschliche Wesen außer uns, das die Leute von Borsigliana regelmäßig sahen, war die Postbotin, die einmal im Monat die Coupons für die Kriegsrenten brachte; sie kam mit dem Pferd, dem Dienstpferd des Postamts von Pieve, und tat dies noch fast zwanzig Jahre lang, als der Weg dorthin etwas planiert wurde und die Postbehörde sie den Führerschein machen ließ und sie begann, mit einem hellgrünen FIAT-500-Lieferwagen mit dem Emblem der Postverwaltung der Republik über die Hochstraßen zu ziehen.
Meiner Meinung nach waren diese vierzehn Tage in Borsigliana schlimmer als ein Sanatorium; und da die Duse mich dorthin brachte, um dieses zu vermeiden, und eine Woche vor Abfahrt anfing, mir mit diesem Sanatorium Angst zu machen, hoffte ich jedes Jahr, doch Tuberkulose zu bekommen. Dort oben gab es überhaupt nichts zu tun und zu sehen, außer hinter der Duse in den großherzoglichen Tannenwäldern herzuwandern und ins Pfarrhaus zurückzukehren und Grammatik und Arithmetik zu üben. Die einzige feste Erinnerung an Borsigliana ist, das Erste, was ich tat, sobald ich meinen Fuß ins Dorf gesetzt hatte, in einen Kuhfladen zu treten, und das Letzte, bevor wir abreisten, in einen anderen zu treten. Es gab nichts als Kuhställe in Borsigliana und Kühe auf den Weiden und Kühe auf dem Pflaster und Kühe auch auf den Dächern der Heuschober. Und zu essen Kuhkäse, Kuhmilch und Kastanienpolenta mit Kuhkäse oder Kuhmilch.
Und dann verstand ich nicht, wie die Luft so rein sein sollte, angesichts der Tatsache, dass es überall nach Kuhmist und trockenem Heu stank. Ich glaube, dass ich nie einen Jungen in meinem Alter aus einem der vier Häuser habe herauskommen sehen; sie gingen auf die Weide, bevor ich aufwachte, und kamen zurück, wenn wir uns schon wieder ins Pfarrhaus verkrochen hatten.
Also, an einem solchen Ort wurde Anfang des 15. Jahrhunderts ein Mann geboren, von dem man noch nicht weiß, wie er hieß. Dieser Mann hat in dreizehn Kirchen des Reviers dreizehn von ihm gemalte Altartafeln hinterlassen, und jede trägt die Unterschrift
Magister Borsilianii
deutlich in Handschrift zwischen den Narzissen einer blühenden Wiese, neben den nackten Füßen eines Schäfers auf dem Weg zum Erlöser, unter dem Napf voll Futter, das ein äußerst magerer Köter schlabbert. Natürlich hatte auch die Kirche von Borsigliana eine Tafel ihres gebürtigen Meisters, und ich weiß noch, dass die Duse sie mir zeigte. Sie glänzte zwischen den Schatten eines schlichten Altars, leuchtete durch den Vorhang aus Staub, der sich erhob, als wir die Tür öffneten; als wir ziemlich nahe vor ihr standen, damals hätte ich darauf geschworen, begannen sich die Figuren langsam zu bewegen, und nach und nach verschwand der Geruch nach Kuhmist, der durch die offene Tür hereingekommen war.
Ich habe nicht alle dreizehn Tafeln des Meisters von Borsigliana gesehen, ganz einfach weil fünf vor, während und nach dem Krieg gestohlen wurden, von den Bischöfen, den Antiquaren und den Deutschen, und drei hat die Behörde mitgenommen, mit der Ausrede, sie zu untersuchen und an einem sichereren Ort aufzubewahren. Aber die fünf, die in ihren Pfarrkirchen geblieben sind, habe ich gesehen und gehe sie mir immer wieder ansehen, wo sie von den legitimen Besitzern aufbewahrt werden, den Erben der kleinen Völker, die sich über mehrere Generationen verschuldet haben müssen, nur um das Wunder dieser prächtigen Figuren in der Dunkelheit genießen zu können, die lebendiger sind, als sie selbst sich fühlen; Heilige, die man lieben muss, denn sie erleuchten die Nacht und halten den Kuhmist fern.
Und noch eines: Man muss nur einige Figuren in einer Enzyklopädie gesehen haben, eine Sammlung von Heften einer
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