Himmelspfade - Engel weisen uns den Weg
erschien der Engel Michael neben mir. »Siehst du den weißen Lieferwagen rechts von dir, Lorna? Er wird dir gleich ein Zeichen geben, dass du vor ihm rausfahren kannst. Mach dir keine Gedanken darüber, ob du dabei die Straße blockierst!« Michael verschwand wieder. Vor dem weißen Lieferwagen befanden sich noch etwa sechs Autos, aber schließlich hatte er die Parkplatzeinfahrt erreicht, und es geschah genau das, was Michael angekündigt hatte. Also fuhr ich auf die Straße und blockierte dabei ein paar Augenblicke lang die erste Spur, bis mich ein zweites Auto auf der Gegenfahrbahn einfädeln ließ. Nun stand ich in der nächsten Schlange, und wieder bewegte sich kaum etwas vorwärts.
Ich konnte die Gegenwart all meiner Engel spüren: Michael, Hosus, Elija, Kaphas, Elisha und viele mehr. Sie wiesen mich an, nur geradeaus zu schauen. Engel Michael sagte wortlos: »Achte auf den Bus!« Noch während er sprach, kam bereits ein Doppeldeckerbus auf mich zu. Wie in Zeitlupe fuhr er in einer leichten Schlangenlinie und stieß dann gegen ein leeres geparktes Auto. Der Fahrer stieg aus dem Bus aus. Er war sichtlich verwirrt und wunderte sich, wie er das andere Auto nur hatte anfahren können. Der gesamte entgegenkommende Verkehr war mittlerweile zum Stillstand gekommen, sodass sich auf der Spur rechts von mir gar keine Autos mehr befanden.
Es wurde unglaublich still. Die Gegenwart meiner Engel war nun extrem stark zu spüren. Nichts rührte sich mehr – keine Autos, keine Menschen, keine Vögel. Alles war vollkommen still. Nicht einmal die Blätter an den Bäumen bewegten sich. Doch mir fiel auf, dass eine Lichtenergie wie Dunst vom Boden aufstieg. Man forderte mich auf, nach rechts zu schauen, und dort erblickte ich die Frau mit dem marineblauen Mantel, die mir schon vorher aufgefallen war. Sie ging etwa sechs Meter von mir entfernt auf dem Gehsteig entlang. Ihre Bewegungen liefen in extremer Zeitlupe ab, und um sie herum war alles besonders ruhig. Dann betrat sie die leere Fahrbahn neben mir. Ich beobachtete sie ganz genau, damit ich nur ja nichts übersah, was Gott mir möglicherweise zeigen wollte. Mein ganzer Körper fühlte sich extrem leicht an. Ich spürte nicht einmal mehr den Autositz, auf dem ich saß.
»Was soll ich sehen?«, fragte ich Michael. Nach einer Weile, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, forderte er mich auf, wieder nach rechts zu schauen. Ich erblickte einen Jungen. Er schien sich in einer ganz normalen Geschwindigkeit zu bewegen, ließ sich beim Gehen aber Zeit, wie das Jungs nun einmal tun. Er war groß und schlank, hatte glattes schwarzes Haar und trug eine Schuluniform. Er war etwa zehn Jahre alt. Die Frau bewegte sich immer noch im Zeitlupentempo. Als sie etwa in der Mitte der Fahrbahn angekommen war, drehte sie sich um und rief nach dem Jungen. Ich wusste sofort, dass sie seine Mutter war. Ihre Stimme klang gedämpft, daher weiß ich nicht, in welcher Sprache sie redete. Womöglich war es nicht einmal Englisch. Als der Junge den Gehweg verließ, um seiner Mutter zu folgen, schien es so, als ob auch er sehr viel langsamer würde und sich kaum noch bewegte. Jede seiner Bewegungen kam mir wie eine Reihe von Bewegungswellen vor. Es war ein unglaublicher Anblick. Er bewegte sich innerhalb eines purpurfarbenen Lichts mit einem tiefblauen Schimmer, das sich knapp einen Meter um ihn herum ausdehnte. Seine Füße schienen dabei nicht einmal den Boden zu berühren. Es war, als geschähe all dies in einer anderen Zeit oder an einem anderen Ort. Beim Gehen veränderte sich das Aussehen des Jungen ständig. Mal sah er aus wie ein großer, attraktiver Erwachsener, dann wieder wie ein Knabe. Auf diese Weise veränderte sich seine Erscheinung mehrere Male. Plötzlich blieb der Junge mitten auf der Straße stehen – er war jetzt nur noch etwa eineinhalb Meter von mir entfernt –, drehte sich um und lächelte mich unumwunden an. Sein ganzes Gesicht strahlte, und es war, als explodierte das purpurblaue Licht um ihn herum und höbe ihn vom Boden ab. Mit einem unglaublichen Lichtschwall trat die Seele des Jungen hervor, und zusammen mit ihr erschien der Engel, der in seiner Seele wohnte.
Für einen Sekundenbruchteil sah ich nur den Engel. Er war sehr groß, hatte riesige Flügel und war in einen cremefarbenen Stoff gehüllt, in dessen Falten etwas Gold schimmerte. Doch das Unfassbarste an seiner Erscheinung waren seine extrem tiefen, leuchtenden Augen. Noch während der Explosion des purpurblauen Lichts
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