Himmelspfade - Engel weisen uns den Weg

beim ersten Anblick hatte ich keinerlei Zweifel, dass sie weiblich war. Sie sah sich nach mir um. Ihre menschenähnliche Gestalt war von hinreißender Schönheit. Sie hatte keinen Kopf wie wir, ihr Gesicht befand sich stattdessen in ihrem Körper. Sie sprach nicht mit mir, sondern lächelte nur, und ich durfte zusehen, wie sie sich sanft drehte. Ich konnte keine Arme erkennen, so wie wir sie haben. Vielmehr schien es, als habe sie Unmengen von Armen – aber sie sahen nicht so aus wie die Tentakel eines Kraken. Eher war es so, als wehten unzählige Seidensegel aus ihr hervor. Während ich sie beobachtete, wurde sie scheinbar immer länger. Mit sanften Bewegungen streckte sie ihre segelähnlichen Arme nach jenen Teilen des Planeten aus, die Heilung brauchten.
    Der Geist der Erde ist wie eine Mutter, die ihre Jungen versorgt, die auf ihr leben. Wir leben auf der Erdkruste – auf ihrer Haut. Andere Lebensformen wohnen in ihr. Alles Leben ist ihr sehr kostbar – Menschen, Tiere, Bäume und Blumen, die Meere und die Flüsse, die Berge und Wüsten. Wir verlangen zu viel von ihr. Wir können nicht ständig an der Erde zerren, immer nur nehmen und ihr nichts zurückgeben. Wenn wir ein menschliches Organ, zum Beispiel die Nieren, überlasten, werden wir krank und müssen vielleicht sogar sterben. Dasselbe gilt auch für die Erde. Wenn wir zu viel Druck auf sie ausüben, dann reagiert sie und kämpft um ihr eigenes Überleben. Auch die globale Erderwärmung ist eine Reaktion der Natur auf unsere Misshandlung der Umwelt.
    Jimazen hat mir gesagt, dass wir damit aufhören müssen: »Wenn Mutter Erde keine Zeit hat, sich zu erholen und zu heilen, wird sie sich wahrscheinlich eines Tages unglaublich drehen und winden müssen, um zu überleben. Und das wird mit größter Wahrscheinlichkeit sehr viel Leben vernichten.« Jimazen ist ein äußerst mächtiger Engel mit einer enormen Aufgabe, für die er seine große Kraft braucht. Er ist wunderschön, aber er jagt mir auch Angst ein. Es fällt mir extrem schwer zu beschreiben, was ich in seiner Nähe empfinde. Er ist ein sehr leidenschaftlicher und emotionaler Engel, und er zeigt mir seine Emotionen auf eine Art und Weise, wie das kein anderer Engel tut. Auch seine Macht lässt er mich spüren wie kein anderer Engel. Er donnert und schimpft über das, was wir tun, und er ist zutiefst frustriert, weil es ihm nicht gelingen will, uns aufzuhalten. Ich habe Angst vor seiner Macht, aber gleichzeitig weiß ich, wie wichtig er für das Überleben der Erde und der Menschheit ist.
    Der Engel Jimazen spürt den Schmerz von Mutter Erde und hat großes Mitgefühl mit ihr und mit uns, aber in vielerlei Hinsicht liegt er im Kampf mit der Erde. Er versucht, sie unter Kontrolle zu halten, und ruft Gott an, ihm dabei zu helfen. Manchmal sehe ich ihn im Kampf. So etwas habe ich noch bei keinem anderen Engel Gottes gesehen. Aber wenn er mit Mutter Erde kämpft und versucht, sie niederzuringen und sie davon abzuhalten, sich aufzubäumen, dann tut er das aus Liebe.
    Jimazen ist wie ein Donnergrollen über der Erde. Wenn ich ihn sehe, bleibt er stets nur wenige Sekunden lang stehen. Aber eines Tages hielt er für einen Moment inne und zeigte mir etwas, das ich nur als einen die Welt umspannenden Lichtschild bezeichnen kann. Dieser Schild bestand aus einer Reihe gerader Lichtlinien, die von einem Punkt zu einem anderen verliefen. Die Linien kamen mir nicht viel breiter vor als ein Bleistiftstrich. Ich habe keine Ahnung, wie weit die einzelnen Punkte voneinander entfernt waren. Es gab Unmengen dieser Linien, und sie überkreuzten sich ständig. Nie lag eine Linie über der anderen. Ich fragte, wozu dieser Schild da sei, und die Engel sagten mir, er solle Partikel vom Planeten Erde fernhalten.
    Die Punkte, an denen sich die Linien überschneiden, sind Jimazen zufolge die »Ecken der Erde«. Es gibt Unmengen davon. Ich weiß nicht, warum es in diesem Muster so viele Ecken geben kann, und ich verstehe es auch nicht – aber so wurde es mir erklärt. An jeder Ecke steht ein Engel. Diese Engel haben die Aufgabe, Jimazen zu helfen, und sie verlassen ihre Ecke nie. Jimazen bewegt sich an den Lichtlinien entlang. Er ist der einzige Engel, den ich kenne, der sich auf diese Art und Weise fortbewegt. Er arbeitet ständig daran, den Schild intakt zu halten. Seine Aufgabe erfüllt ihn mit großem Stolz, und er verlässt die Erde nie. Die meisten Engel kommen und gehen, aber ich weiß nicht, ob Jimazen je woanders war als