Himmelsschatten
Deprivationstank – nur zehnmal gefährlicher und intensiver.
Und ein viel spirituelleres Erlebnis als irgendein kirchlicher Gottesdienst.
Abgesehen von den einzigartigen Visionen und Ge fühlen fand Zack auch Vergnügen an den alltäglichen Aspekten des Jobs, selbst wenn es bedeutete, dass er jeden Morgen in aller Frühe zum Johnson Space Center fahren und endlose Besprechungen oder Simulationen über sich ergehen lassen musste. Na und? Er trainierte für einen Flug zum Mond!
Natürlich brachte das Astronautendasein auch ein paar Nachteile mit sich. Zum Beispiel musste er sich körperlich fit halten. Als junger Bursche hatte Zack viel Sport getrieben und in Leichtathletik sowie Langlauf etliche Siege errungen. Doch nach dem Eintritt ins College verlor das Laufen für ihn an Reiz. Trotzdem, nachdem er sich bei der NASA beworben hatte, fing er wieder damit an und zwang sich, dreimal die Woche zwei bis drei Meilen zu laufen; ihm gefiel der damit verbundene Endorphinrausch und dass er an der Taille ein paar Pfunde verlor. Aber er konnte nicht behaupten, dass ihm der Sport an sich zusagte.
Dann waren da die vielen Arbeitsstunden und die Fahrerei, was seiner Ehe mit Megan und seiner Beziehung zu Rachel nicht gut bekam. Wenn er nicht Wochen in Arizona zubrachte und dort im Simulator Außeneinsätze auf dem Mond probte, hielt er sich länger in Nevada auf, um mit dem Rover zu arbeiten, und hinzu kamen verschiedene Reisen zum Cape. Selbst ganz gewöhnliche Arbeitstage im Johnson Space Center begannen früh und waren erst spät zu Ende.
Eine zusätzliche Belastung stellten die E-Mails dar, die Telefonate, die Autogrammjäger, und das ständige Angesprochenwerden von irgendwelchen Personen, wann immer er etwas so Banales tat wie an einem McDonald’s Drive-through anhalten oder einen Leihwagen mieten.
Und die Pressekonferenzen.
»Sind wir bereit?« Scott Shawler, ein pummeliger jun ger Mann, der bei der Destiny -5 -Mission als Public Affairs Officer fungierte, mithin Beauftragter für Öffentliche Angelegenheiten des Kennedy Space Center war, hörte auf, mit den Mikros herumzuhantieren und den riesigen Videoschirm hinter dem Podium zu testen.
»Würde es was ändern, wenn wir Nein sagen?« Zack grinste, während seine Crewkameraden lachten. Shawler war jedoch viel zu nervös, um auf einen Witz einzugehen. Zack musste bejahend mit dem Kopf nicken.
Shawlers Hände zitterten, aber seine Stimme klang fest, als er ansetzte: »Okay, guten Morgen allerseits! Willkommen im NASA Kennedy Space Center und zu dem Start-minus-sechs-Event …«
Trotz der Vorbereitungen gingen die einleitenden Worte das PAO im Quietschen einer Rückkopplung unter. Die Reporter in den lässigen Polohemden, die wegen der schwülen Hitze auf ihrer Haut klebten, zuckten buch stäblich zusammen. »Jesus!«, schimpfte Tea Nowinski, ohne aus ihrer Verärgerung einen Hehl zu machen, ein untypischer Ausbruch für die langbeinige, bildschöne Astronautin. »Bringt ihr Typen nicht mal eine einfache Kom-Leitung zustande?«
»Entschuldigung!« Shawler wurde rot und bedeckte reflexhaft das Mikro mit seiner Hand. »Nächster Versuch …« Während Shawler und die anderen Mitglieder seines Teams den Ton ausbalancierten, betrachtete Zack den Mann, der zwischen ihm und Shawler saß, ein Afroamerikaner von Ende fünfzig, der einen dunklen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte trug – viel zu warm und schwer in diesem Wetter. Gabe Jones musste mal wieder überkompensieren. Er war der emotionalste Funktionär, dem Zack jemals begegnet war … schon bei der knappsten Mitteilung einer Tragödie konnte es passieren, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen, geschweige denn, wenn er sich, was seine Spezialität war, über die Wunder der Erforschung des Weltraums ausließ. Deshalb umgab er sich mit einem Panzer aus formeller Kleidung.
Endlich war Shawler so weit. »Ich möchte Ihnen Dr. Gabriel Jones vorstellen, den Leiter des Johnson Space Center … den Chefastronauten Shane Weldon und die Astronauten Zack Stewart, Tea Nowinski, Mark Koskinen und Geoff Lyle. Meine Damen und Herren, die Crew der Destiny -5 -Mission, die die erste bemannte Mondlandung des einundzwanzigsten Jahrhunderts durchführen wird.«
Es gab überraschend viel Applaus. Er schwoll zu einem regelrechten Beifallssturm an und dauerte so lange, dass Weldon, der links von Zack saß, seinen glatten runden Kopf umwandte und meinte: »Vielleicht sollten Sie lieber abhauen, wenn das alles sein soll.« Zack
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