Himmelsschatten
demselben negativen Ergebnis.
Jetzt, wo sie sich im relativ offenen Zentrum des Schlots befanden, hielt sie es für einen Versuch wert, Mission Control direkt zu kontaktieren. Wenn es die Venture nicht mehr gab, war sie natürlich darauf angewiesen, dass ihr Signal über die Destiny weitergeleitet wurde. Wo befand sich das Mutterschiff überhaupt?
»Houston, hier spricht Tea. Ich bin im Vesuv-Schlot, zusammen mit Taj, Lucas und Natalia. Könnt ihr mich hören?«
Nichts. »Taj, ich nehme an, du vermisst dein Funkgerät.«
»Ich krieg keine Antwort«, erwiderte er.
Es war klar, dass sie aus dem Schlot herausmussten. Die felsigen Flanken hochzuklettern war nicht unmöglich – seit sie nahezu schneefrei waren, entdeckte Tea überall Stellen, an denen man sich festhalten konnte.
Aber Zack hatte eine Rampe erwähnt … und dann sah sie sie auch schon; ein paar hundert Meter entfernt, an der entgegengesetzten Seite des Schlots, schwang sie sich den Hang hinauf. Tea führte ihr Team dorthin.
Zehn Minuten später, ein wenig außer Atem, stand sie am geröllübersäten Fuß der Rampe. Ein Astronaut im Anzug konnte die Schotterhalde zu Fuß überqueren, aber für den Rover musste man einen Weg freiräumen.
»Lucas, Natalia, ihr beide wartet hier. Die Luft aus der Kabine sollte nur im Notfall abgelassen werden. Taj und ich gehen voraus und suchen nach der besten Route für das Fahrzeug. Dann kommen wir zurück und machen die Bahn frei.« Unvermittelt änderte sich ihr Tonfall. »Sag mal, Taj, gibt es in Indien auch die Tradition, jemandem einen letzten Wunsch zu gewähren? Zum Beispiel einem Sterbenden?«
»Ich denke, so was gibt es in jeder Kultur. Auch bei uns. Warum fragst du? Schätzt du unsere Chancen so pessimistisch ein?«
»Eigentlich schon. Aber ich bin schlichtweg neugierig, wieso ihr euch für diesen Trip so gut vorbereitet habt?«
»Wie meinst du das?«
»Lass mich aufzählen. Der Relaissatellit. Ein Terahertz-Funkgerät. Die Sammlung an wissenschaftlichen Instrumenten.«
»Tea, die Venture hätte das ganze Zeug ebenso gut mitnehmen können. Und wenn ich mich nicht sehr irre, dann haben unsere Leute ein paar dieser Ideen sogar von der NASA bekommen.«
»Red keinen Unsinn, Taj! Verdammich, das einzige Utensil, das für einen Erstkontakt fehlte, war ein Schild, auf dem steht Willkommen auf der Erde .«
Taj zögerte, ehe er antwortete: »Vor einem Jahr beob achtete ein Observatorium auf der Krim Keanu im Bereich hoher Radiofrequenzen. Man entdeckte Anomalien – nicht nur eine ungewöhnliche Aktivität, sondern Pulse und Muster, die nach Ansicht der Astronomen keinen natürlichen Ursprung haben konnten.«
»Auf so was hätten wir auch achten sollen.«
»Vielleicht habt ihr das ja getan und diese Auffälligkeiten nur zufällig verpasst. Jedenfalls sagte man uns, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Kontakt stattfinden würde.« Sie mussten einen Halt einlegen, damit der Rover die letzte Biegung umrunden konnte. »War es das, was du wissen wolltest? Dass wir für eine Begegnung mit einer anderen Spezies gerüstet waren?«
»Ja«, gab sie zu. Sie konnte nicht widerstehen, hinzuzufügen: »Jetzt kann ich in Frieden sterben.«
Die Hälfte der Rampe hatten sie erklommen – bis zum Rand des Schlots waren es keine zweihundert Meter mehr – als Tea in ihrem Headset eine Stimme hörte. » … auf UHF, Kom-Check. Venture -Crew, Houston. Tea, hier spricht Jasmine.«
»Alles klar!«, brüllte Tea. Während der nächsten Augen blicke herrschte ein Chaos aus sich überschneidenden Funksprüchen, abgerissenen Sätzen, und das alles wurde noch verworrener durch die Zeitverzögerung von acht Sekunden. Aber zum Schluss wusste Houston, dass vier Astronauten am Leben waren und sich auf Keanus Oberfläche befanden, dass auch Zack noch lebte und man nur auf seine Rückmeldung wartete.
Noch wichtiger war, was Tea von Houston erfuhr: Die Destiny lag weiterhin funktionsfähig im Orbit von Keanu, und die Raketentechniker in Mission Control erwogen allen Ernstes, das Schiff auf der Oberfläche landen zu lassen, um die Gestrandeten zu retten. »Unter der Voraussetzung, dass die Venture und die Brahma zu stark beschädigt sind, um noch eingesetzt zu werden«, erklärte Jasmine Trieu.
»Verstanden«, sagte Tea. »Kannst du das an Taj weitergeben?«
»Wir sind schon dabei«, erwiderte Trieu nach der üblichen Pause.
»Dann wollen wir die Situation mal in Augenschein nehmen.« Tea und Taj setzten ihren Anstieg fort und
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