Himmelsschatten
NEOMISSION.COM
Tea Nowinski steckte in ihrem EVA -Anzug und hatte den umgeformten Boden des Vesuv-Schlots in ihrem Blickfeld, als das Beben losging. Es bestand nicht der geringste Zweifel: Trotz des festen Materials, aus dem der Anzug bestand, und des Helms, der Geräusche und Empfindungen dämpfte, wurde sie durchgerüttelt, als hätte sie beim Hinuntergehen einer Treppe zwei Stufen verpasst.
Es dauerte jedoch nicht länger als eine Sekunde. Der heftige Ruck, ein vorübergehender Schwindel, dann trat wieder Ruhe ein.
Taj ging hinter ihr. Ihm folgte der Rover Buzz mit Natalia und Lucas in der Kabine. »Großer Gott, sag mir bloß nicht, dass noch jemand eine Bombe …«
»Das hat sich anders angefühlt«, meinte Taj. Er deutete auf seine Füße, dann auf die Helligkeit vor ihnen. »Es schien aus der Tiefe zu kommen, nicht von da draußen.«
Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Passagiere im Rover okay waren, setzte sie ihren Weg fort.
Sie hatte Lucas und Natalia durch den Bienenstock bis zur Membran geführt; am Lagerplatz machten sie dann Halt, um ihre Anzüge mitzunehmen.
Das Anlegen des Anzugs dauerte doppelt so lange wie sonst. Natürlich war sie inzwischen mit ihren Kräften am Ende. Sie spürte auch ihren eigenen Widerwillen weiterzugehen … wenn sie aus dem Innern Keanus hinaustrat, näherte sie sich der Gewissheit, wie das weitere Schicksal ihres mittlerweile drastisch reduzierten Teams aussehen würde. Würde es ihnen gelingen, Mission Control zu kontaktieren und wenigstens einen Funken Hoffnung auf Rettung zu bekommen? – In diesem Zusammenhang gesehen: Würde Taj ihr je vergeben können, dass sie sein Zeiss -Funkgerät mit der Kamera Zack überlassen hatte?
Oder waren sie dazu verdammt, auf Keanu zu sterben? Sie musste sich eingestehen, dass ihre Überlebenschancen nicht hoch standen.
Wenigstens stellte sich heraus, dass Lucas’ und Natalias Anzüge nichts abgekriegt hatten. Auch wenn sie noch über Werkzeuge verfügten, um Lecks oder Ventile zu reparieren, so waren sie allerdings nicht mehr imstande, kritische Reparaturen mit der dazu notwendigen Konzentration durchzuführen.
Taj hatte sie doch tatsächlich gefragt: »Wie sieht unser Plan B aus?«
»Du meinst, wenn wir rausgehen und merken, dass überhaupt nichts mehr da ist, nicht mal eine Möglichkeit zur Kommunikation? Dann bleibt uns nichts andres übrig, als uns hinzusetzen und auf den Tod zu warten, oder durch die Membran in die Kaverne zurückzugehen.«
Nach ihrem Aufbruch sah es jedoch bald so aus, als sei die Rückkehr in das Innere Keanus keine gute Wahl. Der Wind war stärker geworden, die Glühwürmchen verloren an Leuchtkraft … und die Vegetation verwandelte sich schon wieder, der »Dschungel« formte sich zu etwas um, das Tea nur als »Kristallstadt« bezeichnen konnte. Pflanzen zerfielen, und auf dem Boden bildeten sich eckige Strukturen.
Sie war froh, dass sie in ihrem Anzug steckte; die Tanks waren frisch aufgefüllt, und der Inhalt würde für die nächsten Stunden reichen. Ob die Atmosphäre in Keanu atembar bleiben würde, wagte sie zu bezweifeln.
Taj musste die gleichen Bedenken hegen, denn er sagte nur: »Mir scheint, wir sind in der Kaverne nicht länger willkommen.«
In diesem Moment spürten die fünf Astronauten ein zweites Beben. Dieser Ruck war womöglich noch kürzer und seltsamerweise weniger ausgeprägt, obwohl der Rover mehrere Sekunden lang auf seinen Aufhängungen schwankte.
»Alle okay?« Tea hörte, wie Lucas bejahte. »Na schön, dann gebt mal Gas.«
Sie fiel sogar in einen Trott, was in Anbetracht des hohen Gravitationszentrums und des unsicheren Bodens ein grober Leichtsinn war. Aber sie bildete sich ein, wenn sie nicht schleunigst aus dieser finsteren Passage hinauskäme, könnte sie sich vielleicht einfach hinsetzen … und auf den Tod warten.
Schritt, Rutschen, Schritt, Rutschen. Dasselbe noch mal. Taj machte das Gleiche. Sie beide trabten vor dem Rover her.
Endlich tauchten sie aus der Passage auf und befanden sich wieder auf dem Grund des Schlots. Der Boden hatte sich dramatisch verändert. »Das ist ja zum größten Teil blanker Fels«, staunte Taj.
»Die Hitze hat den Schnee und das Eis zum Schmelzen gebracht«, sagte Tea. Sie betätigte ihr Funkgerät. » Venture , Tea. Venture an Yvonne.« Im Weiter gehen wiederholte sie den Ruf und lauschte auf eine Antwort, die jedoch ausblieb.
Über ihre Ohrhörer bekam sie mit, wie Taj ähnliche Funksprüche an die Brahma absetzte, mit
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