Himmelsschatten
Chance kriegst du auf jeden Fall.«
2
»Mein erster Namensvorschlag lautete ›Jurdu‹. Er stammt aus einer der Aboriginal-Sprachen und bedeutet ›Große Schwester‹. Aber ein paar übertrieben empfindliche Idio- ten fanden, er sei (a) sexistisch, (b) ungenau und (c) nur weil ich das verdammte Ding entdeckt hätte, stünde es mir noch lange nicht zu, ihm einen Namen zu geben. Was glaubte ich wohl, wer ich sei?
Dieser schwachsinnige Streit zog sich über mehrere Wochen hin. Währenddessen hatten die Leute X2016K1 ›Keanu‹ getauft, und damit war ich einverstanden. Der Name klingt nach Aborigines und hey, er beginnt mit einem K, wie seine Katalognummer.«
KEANU-ENTDECKER COLIN EDGELY,
KOMMENTAR gepostet auf NEOMISSION.COM
Kean u /Aufenthalt
Noch vor der Entscheidung, anstatt auf dem Mond auf Keanu zu landen, war laut Flugplan der Destiny -7 Yvonne die leitende EVA -Astronautin, und das hieß, dass eine Afroamerikanerin der erste Mensch sein würde, der einen Fuß auf ein NEO setzte. Der jämmerliche, drittklassige Apparat, der für die Öffentlichen Angelegenheiten der NASA zuständig war, hielt dies für einen tollen Werbecoup. Zack wusste es besser – er zweifelte, ob einer von tausend Amerikanern den Namen auch nur eines einzigen Mitglieds der Destiny -7 -Crew kannte, und noch weniger Leute interessierten sich dafür, welcher Vertreter irgendeiner ethnischen Gruppe die ersten knirschenden Schritte unternahm. Aber der zeitliche Ablauf war in so vielerlei Hinsicht umgestellt und neu arrangiert worden, dass er die ursprüngliche Reihenfolge gern beibehielt.
Außerdem sah diese Sequenz vor, dass Zack als zweiter das NEO betrat. Trotz seiner Müdigkeit und obwohl er sich über den bevorstehenden Stress im Klaren war, wollte er unbedingt das Landemodul verlassen und auf der Oberfläche stehen. Sein Leben lang hatte er von so etwas geträumt – und er dachte nicht daran, sich von etwas derart Unwichtigem wie Schlafmangel an der Erfüllung dieses Traums hindern zu lassen.
Derselbe Zeitplan verlangte von der Crew eine sechsstündige Ruhephase. Angesichts des Orbits der Brahma und der öffentlichen Ankündigungen hatte Houston die Crew gewarnt, sie könnten schon früher geweckt werden, doch auf jeden Fall blieben ihnen vier Stunden, die Anzüge abzulegen, zu essen, die winzige Toilette zu benutzen und ein Nickerchen zu machen, entweder ausgestreckt auf dem Fußboden der Kabine (Tea und Pogo) oder in Hängematten schaukelnd (Yvonne und Zack).
Die Mikrogravitation machte die Hängematten beinahe überflüssig. Mit einer Augenmaske und Ohrstöpseln – Pogo und Tea hatten Wache – fühlte sich Zack, als schwebe er im Inneren der ISS oder in der Destiny -Kabine während des Hinflugs.
Teas Stimme riss ihn aus dem Schlummer. »Houston hat Bilder von der Brahma . Nimm das.« Sie reichte ihm eine Tasse Kaffee.
Pogo war bereits auf den Beinen und stand am Funkgerät der vorderen Station, als Zack sich zu ihm gesellte. »… Wir können es jetzt sehen. Und unser stahlharter Kommandant ist auch zur Stelle.«
Das Bild war nicht viel besser als das, was Zack und Pogo von der Destiny aus gesehen hatten – es zeigte immer noch die zylinderförmige Brahma , halb in gleißendem Sonnenlicht, halb im Schatten. Aber die Auflösung war höher. »Die Bearbeitung ist gut«, meinte Zack.
»Da wurden deine Steuergelder mal sinnvoll ange legt.«
Man erkannte deutlich, dass an der Flanke des Koalitions-Raumschiffs ein Rohr montiert war. »Was glaubst du, wie lang das ist?«, fragte Tea, die über seine Schulter peilte. »Fünf Meter?«
Die Brahma war zwanzig Meter lang; dieses Objekt schien über ein Viertel ihrer Länge zu verlaufen.
»Es ist nicht die Länge, die mir Sorgen bereitet«, erwiderte Zack. »Sondern die Bedeutung.«
Tea grinste. »Willst du mir weismachen, dass es nicht auf die Länge ankommt?«
»Sieht aus wie eine Stinger-Rakete«, warf Pogo ein, ohne seinen Ärger über Teas Frotzelei zu verhehlen.
»Houston, Destiny auf Kanal B«, sagte Zack, wobei er den codierten Link benutzte. »Wir schauen uns das Ding an und fragen uns, was das wohl sein könnte – irgendeine Art von Weltraum-Bazooka?« Die Idee war lächerlich, bis einem wieder einfiel, dass eine frühe Raumstation der Sowjets mit einer echten Kanone bestückt war, für den Fall, dass amerikanische Killersatelliten sie angreifen sollten.
Während sie auf Houstons Antwort warteten, rätselte Yvonne: »Würden die denn allen Ernstes auf uns
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