Himmelsschatten
Versorgungsgüter stehen denen auch nicht zur Verfügung. Sie lassen den Mond sausen und landen auf Keanu, wenn er seinen erdnächsten Punkt erreicht hat.«
»Das ist doch schon in zwei Monaten der Fall. Wie zum Teufel wollen die ein solches Projekt durchziehen?«
»Offenbar sind sie schon seit einem Jahr damit zugange, aber wirklich, Kumpel, das Raumschiff braucht doch gar nicht verändert zu werden; bloß die Steuerung und die Trajektorie.«
Zack fing sofort an, sich mit den operativen Herausforderungen einer Landung auf Keanu zu beschäftigen … geringe Schwerkraft, die Möglichkeit, dass die Triebwerksabgase Eis und Schnee in Dampf verwandelten …
»Ich kapier das nicht«, wunderte sich Harley. »Die Nachricht, dass die Brahma zu Keanu fliegen wird, ist doch wirklich eine Sensation – und ich bin derjenige, der sie dir überbringt? Du bist nicht mehr der Zack Stewart, den ich mal kannte.«
Obwohl ihn das Gefühl, wie betäubt zu sein, seit zwei Jahren nicht mehr losließ – Teufel noch mal, er litt an Depressionen, um die Dinge beim Namen zu nennen! –, war Zack ehrlich genug, um Harley recht zu geben. Überdies verriet er sich selbst, als er rot wurde. »Na schön. Was würdest du denn tun, wenn du Zack Stewart wärst?«
»Du meinst, außer mich zu fragen, wieso ich zu dieser frühen Stunde nicht noch mit Nowinski im Bett liege?« Damit traf Harley Drake zum zweiten Mal ins Schwarze … in den vergangenen sechs Monaten hatte Zacks Beziehung zu Tea sich radikal gewandelt, als aus einer Freundin der Familie, die ihm Halt und Stütze bot, und Astronautenkollegin eine … na ja, Geliebte wurde.
Da Tea zur Kommandantin der bevorstehenden Destiny -7 -Mission ernannt wurde, Amerikas dritter Besuch der Shackleton-Station, hatten sie sich bemüht, ihre Affäre geheim zu halten. Offenbar war ihnen das nicht gelungen.
»Ja«, erwiderte Zack, ohne auf die Bemerkung einzuge hen. »Sag mir, was du außerdem noch machen würdest.«
»Ich würde bei Shane Weldon anklopfen.«
Noch ehe Harley den Satz beendet hatte, stand Zack schon auf den Füßen.
Ein Jahr nachdem Shane Weldon die schmerzliche, aber notwendige Entscheidung getroffen hatte, Zack durch Travis Buell zu ersetzen, verlor er seinen Posten als Chef des Astronautenbüros. Buells Verhalten nach der ersten Landung hatte dazu beigetragen, dass man ihm einen anderen Job zuwies. Im NASA -Management war man geteilter Meinung über seinen damaligen Entschluss; die Hälfte der Leute nahm es Weldon übel, einen solchen Hitzkopf wie Buell in diese exponierte Position gesetzt zu haben, der Rest hielt ihn für eine geniale Führungskraft und einen Patrioten.
Ihn in die Abteilung Mission Operations zu versetzen machte beide Seiten glücklich. Diese Beförderung brach te Weldon auf den richtigen Weg, sich eines Tages zum Direktor des Johnson Space Center aufzuschwingen, und gleichzeitig war er nicht mehr für die routinemäßigen Personalentscheidungen verantwortlich.
Jedenfalls stand das in der Tätigkeitsbeschreibung. In Wahrheit gab Weldon, wie ein eingefleischter Bürokrat, zu dem er sich entwickelte, niemals die Zügel aus der Hand, die er irgendwann einmal gehalten hatte. Im Gebäude 4-Süd hieß es, keine Auswahl einer Crew, die der neue Chefastronaut traf, sei endgültig, bevor Shane Weldon sie nicht abgesegnet hatte.
Egal, ob er nun über viel Einfluss verfügte oder nicht, Weldons Büro gehörte ausschließlich der Regierung. Meh rere Räume umgaben einen zentralen Empfangsbereich, in dem drei Assistentinnen arbeiteten. Eine von ihnen, eine ältere Frau namens Kerrie Kyle, bedeutete Zack mit einem Kopfnicken, er möge auf einer Couch Platz nehmen. »Normalerweise ist Shane um diese Zeit schon in seinem Büro.« Ein Arbeitstag im JSC begann morgens um acht – oder noch früher – und dauerte bis sechzehn Uhr. Weldons Abwesenheit war so ungewöhnlich, dass Zack, als er dann mit einer Viertelstunde Verspätung aufkreuzte, sticheln musste: »Kommst du neuerdings morgens nicht mehr aus dem Bett?«
»Freut mich auch, dich zu sehen«, gab Weldon zurück. »Komm rein.«
Zack folgte ihm in sein Büro, das vollgestopft war mit Bildern und Modellen von Flugzeugen und Raumschiffen, die Weldon geflogen hatte; eine riesige astronomische Abbildung von Keanu war noch so neu, dass sie auf einem Stuhl lag. »Nimm das ruhig weg«, sagte Weldon, damit sein Gast irgendwo Platz nehmen konnte.
»Ist nicht nötig«, erwiderte Zack.
Weldon war unterwegs zu seinem Sessel
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