Himmelsschatten
sie und ihr Ehemann hätten eine »gesiegelte Ehe, die den Tod überdauert«, geschlossen … bis sie sich scheiden ließen. Nach ihren eigenen wesentlich toleranteren Maßstäben hatte Megan keinerlei Anspruch auf Zack, weder einen juristischen noch einen moralischen.
Sie musste sich die Frage stellen, ob sie ihn immer noch liebte. Gleichzeitig würde sie sich fragen müssen, welchen Unterschied ihre persönlichen Gefühle machten. Welche Art von Leben konnten sie miteinander teilen? Was durfte sie für sich selbst unter den gegebenen Umständen noch erhoffen?
War Zack davon überzeugt, dass er die reale Megan Doyle Stewart wiedergefunden hatte? So wie er handelte und sprach, erweckte er den Eindruck, als glaube er, tatsächlich seine Frau vor sich zu haben, und trotzdem konnte Megan seine Zweifel spüren. Und mal ganz nebenbei gefragt: War sie selbst denn sicher, dass sie auf wundersame Weise wieder zum Leben erweckt worden war? Woher sollte sie wissen, was genau hier vorging?
Mit absoluter Bestimmtheit wusste Megan nur, dass sie immer noch eine Mutter war. »Zack«, sagte sie. »Ich möchte mit Rachel sprechen.«
Wieder bekam Zack diesen besorgten Gesichtsausdruck, an den sie sich mittlerweile gewöhnt hatte. »Ich auch, aber momentan gibt es keine Echtzeit-Kommunikation.«
»Da kann ich weiterhelfen«, erbot sich Taj.
Zack schien verblüfft zu sein. »Wie das? Der Signalverlust dauerte noch Stunden an.«
»Ich kann mit der Erde in Echtzeit kommunizieren, sobald es mir gelingt, ein Signal durch die Membran zu schicken.« Er hielt das Zeiss -Gerät hoch. »Mit diesem Ding übertrage ich Signale zur Brahma , und die werden dann an einen Relaissatelliten weitergeleitet.«
Zack dachte über den Vorschlag nach. »Na schön, es wäre also möglich. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Idee auch gut ist …«
Megan kannte diesen Tonfall; Zack stellte sich stur. »Sieh mal«, unterbrach sie ihn, »ich merke, dass du noch nicht hundertprozentig bereit bist, mich zu akzeptieren. Schön. Dann lass mich Klartext reden, damit keine Missverständnisse aufkommen. Wenn ich nicht mit meiner Tochter sprechen darf, dann werde ich dir nichts, aber auch gar nichts mehr erzählen!«
17
»… Der Flugleiter der Destiny ist der operative Agent für den NASA Launch Package Manager und den Mission Manager. Er oder sie gehört dem Gremium an, welches sicherstellt, dass die missionsspezifischen Einsätze den Anforderungen des Missionsprofils entsprechen und dass dazugehörige operative Risiken adäquat behandelt werden. Zu dem Aufgabenbereich gehört auch das Bereit stellen von Fachwissen und unterstützenden Maßnahmen seitens des Mission Operations Directorate …«
AUFGABEN DES FLUGLEITERS, JSC MOD, Januar 2019,
REV. G (AUSZUG)
»Wenn ihr Vater sagt, es ist okay, dann ist es okay.« Josh Kennedy gab sein Urteil ab und drehte sich um.
Nachdem Harley Rachel in den Raum für Familienangehörige zurückgebracht hatte, begab er sich schnurstracks zur Mission Control. Da er im Augenblick jeden direkten Kontakt mit den schlauen Köpfen des Home-Teams vermeiden wollte, wählte er den Weg um das Gebäude herum und lenkte seinen Rollstuhl zu Josh Kennedy, der dabei war, den Job des Flugleiters an den Stay-3-Leiter, Lee Shimora, zu übergeben. »Hast du mal einen Moment Zeit?«, hatte Harley ihn gefragt.
Kennedy blickte Shimora an, dann wandte er sich wieder an Harley. »Erkennst du hier irgendwelche Aktivitäten? Wir sitzen nur auf unserem Hintern rum, bis wir Daten bekommen.«
Harley zeigte ihm Rachels Tablet. »Jemand hat Informationen.«
Diese Geste löste bei Kennedy und Shimora energische Reaktionen aus. Beide Männer begannen, ihren entsprechenden Kollegen in Bangalore E-Mails zu schicken und sie anzurufen.
Binnen einer halben Stunde, verursacht durch Harleys Enthüllung, die Brahma hätte einen Relaissatelliten ausgesetzt, brachte die Mission Control in Bangalore es über sich zu bestätigen, dass sie (a) tatsächlich einen Relaissatelliten hätten und (b) bereit seien, Houston in die Kommunikationsschleife einzuschalten. »Wie großzügig von ihnen«, kommentierte Harley bissig, »wenn man bedenkt, dass ohnehin schon alles an die Öffentlichkeit durchgesickert ist.«
Zur Verblüffung des Houston-Teams arbeitete Bangalore gerade daran, den Kontakt mit Taj und seiner Crew im Innern Keanus wiederherzustellen. Der Chef-Flugleiter in Bangalore, Vikram Nayar – der offenbar niemals schlief oder das Center verließ –,
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