Himmelssöhne - Das Erbe der Asaru (German Edition)
setzte sich neben seiner Freundin auf die mit abgenutztem Leder überzogene Holzbank an der Backbordseite der Kabine.
„Jetzt erzähl!“, sagte Grace, durch die neue Situation sichtlich erleichtert. „Wie konntest du den Soldaten entwischen?“
Willy schielte zu ihr hinüber, zeigte dann mit einem kurzen Wink seines Kopfes zu Ethan. „Weiß er Bescheid?“, flüsterte er ihr zu.
Ethan senkte seinen Blick seitlich zu Willy. „Ja, das tu ich. Flüstern hilft nichts, ich höre noch sehr gut. Trotz des Krachs des Dieselmotors. Ist nicht gerade die feine Art, einen alten Mann dermaßen zu veräppeln. Ihr hättet mir von vornherein die Wahrheit sagen sollen, dann wäre euer Freund vielleicht noch bei euch.“
„Sie hätten uns trotzdem geholfen?“, fragte Grace erstaunt.
„Natürlich! Mache ich doch jetzt auch, oder?“
Grace schenkte ihm ein Lächeln. „Danke. Vielen Dank.“
Sie sah wieder zu Willy. „Und nun erzähl!“
Jetzt konnte er beruhigt loslegen. „Von Soldaten hatte ich zunächst gar nichts bemerkt. Ich befand mich in der Lobby und telefonierte. In dieser uralten, hölzernen Telefonzelle mit den bernsteinfarbenen Sichtscheiben, wenn du dich erinnern kannst. Dann sah ich zufällig aus den Augenwinkeln heraus einen Mann in dunklem Anzug. So einen schmalzigen Typen, wie die beiden auf dem Flughafen in Córdoba. Der kam mir sofort verdächtig vor. Ich habe die Tür einen Spalt geöffnet und bekam mit, wie er sich über mich erkundigte. Ob ich noch im Hotel wohnen würde und ob ich auf meinem Zimmer wäre.“
Grace sah ihn verwundert an. „Er hat nach dir gefragt? Wieso nach dir? Die können doch gar nicht wissen, dass du an der Sache beteiligt bist.“
„Eigentlich nicht. Aber irgendwie haben sie es doch rausgekriegt. Keine Ahnung.“
Grace nickte. „Dann mussten sie einfach nur dein Kreditkartenkonto überprüfen, diese Mistkerle.“
Sie hielt einen Moment inne, sah Willy grübelnd an.
„Nico?“
„Du meinst, die haben ihn erwischt?“
„Wäre möglich. Joe sagte doch, die Beamten wüssten, dass er uns geholfen hat.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Nico ist sehr sensibel und kleinmütig. Wer weiß …“
„Und wenn sie Joe erwischt haben?“, fragte Willy.
„Der würde uns nie verraten! Nein, vergiss es!“
Willy starrte Grace an. Ein kurzes Lachen wurde sofort durch einen ernsten Blick abgelöst. „Wie du weißt, wurde ich schon verhört von diesen Agenten. Darin sind sie Spezialisten! Die haben geeignete Methoden, um jemanden zum Reden zu bringen, glaub mir! Wenn all das nicht hilft, wirst du mit Drogen vollgepumpt. So oder so, am Ende sagst du denen alles, was sie wissen wollen.“
Ethan sah ihn skeptisch an. „Du redest vom Geheimdienst? Ich dachte, Grace hätte übertrieben, als sie mir erzählte, wie abgebrüht diese Schurken sind.“
„Die sind rücksichtslos, wenn es darum geht, ihre Interessen zu wahren. Da wird gefoltert, gelogen, verschwiegen …“
Dann erzählte er weiter von seiner Flucht. „Nachdem ich mitbekommen hatte, dass ich gesucht werde, habe ich mich aus der Telefonzelle geschlichen und bin schleunigst zurück in mein Zimmer. Ich schloss die Tür ab, kletterte mitsamt meinem Rucksack aus dem Fenster, die Feuerleiter hinunter und machte mich aus dem Staub. Dabei bin ich von Haus zu Haus gelaufen, habe mich immer wieder in Gärten und hinter Mauern versteckt. Ich hatte inzwischen mitbekommen, dass die Soldaten ganz in der Nähe waren. Am Hafen habe ich dann nach dieser Philomena gesucht. Zum Glück ein ziemlich ungewöhnlicher Name, und daher sehr selten. Ich konnte eigentlich nur das richtige Boot erwischen. Und wie du siehst, hat es geklappt!“
Kurze Zeit später hatten sie die Bucht verlassen und tuckerten aufs offene Meer hinaus. Ethan bat Grace, das Ruder zu übernehmen. Nachdem er ihr am Kompass gezeigt hatte, welche Richtung sie einhalten musste, setzte er sich an den kleinen Schreibtisch und machte sich daran, ihre Route mit Lineal und Zirkel zu berechnen, wie man es aus alten Filmen über die Seefahrt kannte. Dabei bediente er sich seiner bewährten Landkarten, deren vergilbte Seiten unter dem jahrelangen Blättern arg gelitten hatten.
„Haben Sie kein Navigationssystem?“, fragte Willy erstaunt.
Ethan blickte über seine Schulter. „So einen neumodischen Kram brauche ich nicht. Ich bin noch immer dahin gekommen, wohin ich wollte. Außerdem fahre ich seit Jahren schon nicht mehr weit hinaus. Ihr seid eine der wenigen Ausnahmen,
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