Himmelssöhne - Das Erbe der Asaru (German Edition)
ganzen Faust gegen die Tür. „Raus aus den Federn!“, rief sie und legte die Hand an den Knauf.
„Ist ja gut!“, ließ Joe gähnend verlauten, worauf Grace die Tür einen Spalt öffnete und ins Zimmer spähte.
„Schon so spät?“
„Weit nach zehn. Frühstück ist fertig.“
„Okay, ich komme gleich.“
Grace ging zurück ins Esszimmer, wo inzwischen auch ihr Vater am Tisch saß und die Zeitung durchblätterte. Ein paar Minuten später kam Joe angerollt. Während des Frühstücks erklärte Grace den Grund ihres Besuches. Allerdings verschwieg sie die besorgniserregenden Details ihrer Entdeckungen und verharmloste mit journalistischem Spürsinn den geplanten, gesetzeswidrigen Zugriff auf den Hauptrechner der NASA. Willy solle ihr lediglich bei Recherchen zur Internetkriminalität behilflich sein. Diese Notlüge konnte sie getrost mit ihrem Gewissen vereinbaren, da sie ihre Eltern auf gar keinen Fall beunruhigen wollte.
„Glaubt ihr denn wirklich, dass euch Willy eine Hilfe sein kann?“, fragte Dylan. „Ich meine … der Typ ist doch einfach nur muffig und verschlossen. Der spricht immer nur das Nötigste. Ich kenne den nur in betrunkenem Zustand.“
„Er hat geredet“, antwortete Grace, „und wie der geredet hat! Der brauchte nur jemanden, der ihn dazu animiert und ihm zuhört. Wahrscheinlich hat sich die letzten Jahre bloß niemand um ihn gekümmert.“
„Tatsache ist, dass er auf seinem Gebiet eine Koryphäe war, und das ist für die Reportage wichtig“, fügte Joe hinzu.
Gegen Mittag verabschiedeten sich die beiden von den McClarys und machten sich auf den Weg zu Willy, der nur ein paar Blocks entfernt wohnte. Genervt schlängelten sie sich durch die rücksichtslos herumeilenden Massen von Menschen, die auf den breiten Bürgersteigen, vom Stress der Großstadt geplagt, ihren Terminen nachjagten. Dann und wann mussten sie sich ihren Weg um eine der zahlreichen Bagel- und Donutbuden herum bahnen, die an allen Ecken und Enden der Hauptverkehrswege präsent waren. Der unverwechselbare, süßlich-aromatische Duft der beliebten Backwaren drang bis in die letzten Winkel der Gegend und machte richtig Appetit auf die leckeren Kringel. Es war ein ganz anderer, viel angenehmerer Geruch als der vom Abend zuvor.
Mit zwiespältigen Gefühlen näherten sie sich allmählich der gesuchten Adresse. Endlich am Ziel angekommen, empfing sie zu ihrem Erstaunen eine imposante Metalltafel, die einst mit güldenem Glanz auf die Niederlassung von Willys Firma verwiesen hatte. Doch war sie wegen der nutzlos an ihr vorübergegangenen Jahre von oben bis unten mit allerlei Kritzeleien übersät und durch Schmutz und Grünspan zerfressen. Grace drückte gleich daneben auf den Klingelknopf mit der Aufschrift Boyle und es dauerte nur wenige Sekunden, bis ein leises Summen zu hören war. Sie stemmte sich mit ihrem Hinterteil gegen die wuchtige Tür aus matt glänzendem Aluminium und zog Joe rücklings ins angenehm beleuchtete Gebäude. Respektvoll bestaunten sie den sauberen, sehr modern gestalteten Vorraum, der über mehrere Stockwerke nach oben reichte und durch eine imposante Glasfront vom Tageslicht geflutet wurde. Inmitten der Halle prangte ein halbrunder Tresen, der wohl einst als Empfangssektor gedient hatte. Allerdings wurde er inzwischen als Abstellmöglichkeit für Fahrräder und Kinderwagen zweckentfremdet.
Von Bewunderung begleitet steuerten die beiden geradewegs auf den Fahrstuhl zu. Joe tippte sanft mit der Faust auf den rot leuchtenden Pfeil neben der Schiebetür und sofort setzte sich der Lift in Bewegung. Das Haus vermittelte bisher einen ordentlichen Eindruck, was wegen des verwahrlosten Zustands ihres neuen Freundes in solcher Weise eigentlich nicht zu erwarten war.
Nach einem kurzen, schrillen Bimmeln öffnete sich die Tür und die beiden ließen sich zur vierten Etage hochfahren.
Auf der einen Seite des kurzen Ganges befand sich der Eingang zu Willys Wohnung.
„Okay, da wären wir“, sagte Grace, „ich bin gespannt, ob er schon aufgestanden ist.“ Sie drückte auf den Knopf und legte ihr Ohr an die Tür. „Es hat gegongt!“, flüsterte sie Joe zu und horchte weiter. „Ich höre jemanden, er kommt!“
Die Tür öffnete sich und ein junger, gepflegter Mann stand vor ihnen. Völlig verdutzt wich Grace einen Schritt zurück.
„Entschuldigen Sie bitte“, sagte sie verlegen, wir haben uns wohl an der Tür geirrt. Ich wollte eigentlich zu William Boyle. Ist das dort drüben?“ Dabei zeigte
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