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Himmelsspitz

Himmelsspitz

Titel: Himmelsspitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Tramitz
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setzen Sie sich doch.«
    »Ich würde da nicht zu dem Bauern gehen.«
    »Warum denn nicht?«, wollte Mutter wissen.
    »Da ist was ganz merkwürdig. Anita, meine Enkelin«, sie zeigte auf das neben ihr sitzende, dicke Kind, »die wollte in den Stall gehen, da hörte sie merkwürdige Töne. Es muss unheimlich gewesen sein, denn seitdem kann sie kaum mehr schlafen.«
    »Das wird sicher irgendein Tier gewesen sein«, konstatierte Horst.
    »Nein, es muss sich schaurig angehört haben. Anita, komm bitte her und erzähl den Herrschaften doch mal, was du im Stall gehört hast.«
    Das dicke Mädchen tapste herbei. Es trug eine rosa Bluse, einen roten Samtrock, weiße Kniestrümpfe und glänzende Lackschuhe. »Ich hab da wirklich so Töne gehört, ganz komische. Uhhhh, uhhhh, klang es. Ich glaube nicht, dass die von einem Tier gekommen sind, aber von einem Menschen auch nicht. Und es hat da gestunken. Ekelhaft!«, ereiferte sie sich mit piepsiger Stimme.
    »Außerdem wohnt da eine Frau, ich glaube, die ist nicht ganz richtig im Kopf«, meinte die Großmutter noch und erzählte von einer befremdlichen Frau, die stets in Schwarz gekleidet war und wirres Haar trug, sich selten im Ort zeigte und mit niemandem sprach.
    »Tja, früher haben die Leute in den Bergen ja ordentlich Inzucht betrieben, da kommt eben so etwas heraus«, spöttelte Horst und ermahnte Lea: »Du gehst da ja nicht hin. Man muss sich ja nicht mit Verrückten einlassen! Verstanden, nicht in den Stall, nicht auf den Hof?«
    »Mach dir nichts draus«, sagte die alte Dame, »man kann hier ja sonst so viel sehen, der Ort hier ist ja wirklich schön, und die Luft ist einfach hervorragend.«
    Nach dem Essen schickten die Erwachsenen Lea zu Bett, sie selbst wollten noch einen Dämmerschoppen, wie sie es nannten, zu sich nehmen.
    Nun lag sie in ihrer Bettwolke und hatte die Decke bis zur Nasenspitze gezogen. Durch das Fenster sah sie nichts als dunkle Nacht. Der Mond und die Sterne hatten sich hinter den Wolken versteckt. Als draußen die Luft in Bewegung geriet und die Wipfel der Bäume erst langsam hin-und herschaukeln ließ, dann heftiger wurde und an den Fensterläden entlangstrich, dass alles klapperte, war Lea bereits eingeschlafen. Sie träumte von den Toten auf dem Himmelsspitz, wie sie dort fröhlich tanzten, inmitten kleiner Wölkchen, die so weich waren, so wunderschön weich. Auch Lea tanzte, den kleinen Hund auf dem Arm. Und sie lachte und lachte, während draußen der Sturm die Wolken vertrieb. Der fahle Mondstrahl fiel ins Zimmer wie ein Degen des Himmels, direkt auf das alte Bildnis über Leas Bett. Auf dem lachten fröhliche Männer mit blitzenden Augen. Sie trugen große Hüte und Festtagsjanker und zeigten stolz ihre Gewehre.
     
    Wie Schulbuben standen sie in Reih und Glied und warteten darauf, dass der Fotograf endlich den Apparat auslöste. Sie waren zwar in festlicher Siegeslaune, wirkten trotzdem etwas steif, denn sie hatten großen Respekt vor dem Kasten da vorn, der ihnen an diesem Tag ein wenig zur Ewigkeit verhalf.
    »Männer, gebt’s euch lustiger, nicht so ernst, bitte. Auf mein Kommando alle lachen«, sagte der Fotograf. »Urban, halt doch die Scheibe etwas niedriger, sie verdeckt den Oswin hinter dir.«
    »Was hat er g’sagt? Hat er Oswin g’sagt?«, fragte der alte Kneisl.
    »Ja, hat er«, brüllte Vinzenz ihm ins Ohr. »Die Scheibe verdeckt dein Gesicht.«
    »Des derf aber nun wirklich net sein, bin schließlich der Schlumpenkönig!«, maulte Oswin und drängte Urban zur Seite, der ihn angrinste: »Hättest auch net dacht, dass du amal ein König werst, ha, Oswin?«
    Weil der Fotograf fragend dreinblickte, erklärte Urban ihm: »Weißt eh, Schlumpenkönig werst, wennst beim Schießen der Letzte bist. Mei, der alte Oswin, der werd halt alt.« Er klatschte dem alten Kneisl auf die Schulter. »Aber hast ja auch früher schon wild durch die Gegend g’schossen, ha? Taube Nuss.«
    »Was hat er g’sagt?«
    »Nix, Oswin, nix Wichtiges.« Doch der Alte ahnte, dass Urban nichts Freundliches entrückt war.
    »Wart nur, deine Zeit ist auch bald vorbei, wenn deine Händ zum Zittern anfangen und die Augen nimmer weit sehn!«, entgegnete Oswin zerknirscht.
    »Mei Oswin, des erlebst nimmer«, lachte Urban spöttisch.
    »Jetzt hört’s auf mit der Streiterei!«, mahnte Robert, »gleich ist der Anstich, wir kemma sonst zu spät.«
    »Auf uns, auf die unschlagbaren Fuchsbichler, die Schützenmeister!«, rief Urban und präsentierte das Gewehr. Die

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