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Himmelsspitz

Himmelsspitz

Titel: Himmelsspitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Tramitz
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ein Mal gesehen«, sagte sie schließlich.
    »Das kann nicht sein«, erwiderte Isabel.
    Die Frau nahm zwei Schlüssel vom Haken. »Dann muss ich mich wohl irren«, lächelte sie. »Folgen Sie mir bitte, ich zeige Ihnen Ihre Zimmer.« Sie führte ihre Gäste die Treppen hoch in das erste Stockwerk. »Leider ist es schon dunkel, aber Sie werden morgen früh sehen, was für eine schöne Aussicht Sie haben, denn vor Ihnen liegt der schönste Berg weit und breit.«
    »Der Himmelsspitz«, sagte Lea.
    »Genau, der«, sagte die Frau.
    »Wir wollen bis zu seinem Gipfel steigen!«, erklärte Lea voller Stolz.
    »Oh nein, das wird nicht gehen. Es führt nämlich kein Weg hinauf bis zum Gipfel!«, mahnte die Frau mit ernstem Gesicht. Sie legte ihre Hand auf Leas Schulter. »Versuch es erst gar nicht! Der Berg ist voller Geheimnisse und Überraschungen. Mal liegt er ruhig und friedlich da, als könnte er kein Wässerchen trüben, und dann schleudert er Felsbrocken in die Schluchten. Die letzte Brücke, die nach oben führte, ist vor vielen Jahren eingebrochen.« Sie fuhr Lea über die Wange. »Liebes Kind, du kannst ja mit dem Sessellift zu den unteren Almen fahren. Außerdem ist auch im Ort so vieles zu entdecken!«
    Sie öffnete Leas Zimmertür. »Schau, kleine Prinzessin, hier ist dein Reich.«
    Es war ein freundlicher Raum, ausgestattet mit einem Holztisch, auf dem eine Blumenvase stand, einem ausladenden Bett und einer Kommode. An den mit Blumenmustern tapezierten Wänden hingen bunte Bilder.
    Lea legte sich auf das Bett und versank in den weichen, nach Frische duftenden Kissen wie in einer Wolke. Nach einer Weile wühlte sie sich aus den Tiefen des Plumeaus, um sich das Gemälde über der Kommode anzusehen. Es zeigte eine große Schafherde, die auf einem Bergkamm weidete. Das Gras war sattgrün, der Himmel dunkelblau, zwei kleine Wolken schwebten über den Tieren. Neben einem Felsen saß eine Frau mit langen roten Haaren, vor ihren Füßen lag ein kleiner Hund. Er hielt seinen Kopf in die Höhe, hatte die Ohren gespitzt und seine Augen auf Lea gerichtet, als hätte er auf sie gewartet. Lea kletterte auf die Kommode, um ihn besser sehen zu können. Sie hatte sich nicht getäuscht. »Kleiner Hund«, bewegten sich stumm ihre Lippen. »Ich kenne dich, ich habe dich heute gesehen.« Lange sah sie dem Tier in die Augen, bis sie meinte, es käme Leben in ihm auf. Sie ließ ihre Finger über den Körper gleiten, meinte, weiches Fell und warmen Atem zu spüren. »Armer kleiner Hund.«
    In diesem Augenblick betraten Isabel und Horst das Zimmer. Er trug seinen feinen Anzug, sie ihr blaues Tweedkostüm. »Was in aller Welt machst du da oben. Kommst du bitte sofort runter?«, schimpfte er. »Pack deinen Koffer endlich aus und zieh dir was Frisches an. Mit deiner verdreckten Bluse brauchst du dich beim Abendessen nicht blicken zu lassen!«
    »Gefällt dir dein Zimmer?«, fuhr Mutter milde dazwischen.
    »Ja, ist schön«, antwortete Lea verschämt und glitt von der Kommode. Sie fühlte sich ertappt. Ertappt bei einem Zwiegespräch, das ihr selbst unheimlich erschien.
    Als sie später artig gewaschen und frisch gekleidet im Speisesaal erschien, wurde bereits der Hauptgang serviert. »Na endlich, wird Zeit, dass du hier erscheinst«, meckerte Horst.
    »Setz dich, meine Kleine, was möchtest du denn trinken?«, fragte Isabel.
    »Milch«, antwortete Lea.
    »Oh ja, unsere Milch ist sehr gut«, sagte die Kellnerin.
    »Gibt es hier Kühe?«, fragte Lea. Die Frau nickte. »Ja, selbstverständlich. Siehst du den Hof dahinten? Da gibt es noch ein paar Kühe. Es sind die letzten hier im Ort. Leider.«
    »Dürfen wir uns die Tiere ansehen? Ich glaube, meine kleine Tochter hätte Spaß daran«, fragte Isabel.
    »Ich fürchte, das hat der Bauer nicht so gern. Die Kühe werden unruhig, außerdem sind sie tagsüber sowieso oben in den Wäldern«, antwortete die Bedienung.
    »Wir könnten den Bauern doch fragen«, beharrte Horst.
    Die Frau zuckte mit den Achseln und wandte sich zu Lea. »Ich weiß nicht so recht. Aber wir haben auch Tiere hier. Schafe, hinter dem Haus, und Hühner. Und ein Zicklein. Die kannst du alle anfassen und streicheln.«
    Nachdem die Bedienung hinter der Schwingtür zur Küche verschwunden war, beugte sich eine ältere Frau, die am Nachbartisch saß, Isabel zu.
    »Das würde ich nicht tun!«, zischelte sie.
    »Was nicht tun?«, fragte Isabel.
    Die Frau erhob sich von ihrem Stuhl und kam an den Tisch. »Darf ich?«
    »Natürlich,

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